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Ars Electronica: Gentechnik und Mensch-Maschinen

20.08.2009 | 13:36 |  (DiePresse.com)

Das Computerkunstfestival feiert sein 30-jähriges Bestehen. Heuer widmet sich die Ars Electronica Eingriffen in die menschliche Natur: Mit einem Roboter-Klon, Genen und einer virtuellen Weltreis.

Zum 30. Geburtstag widmet sich das Linzer Computerkunstfestival Ars Electronica (3. bis 8. September) den Chancen und Gefahren von Eingriffen in die menschliche Natur durch genetische Veränderungen und andere Technologien.

Man werde sich an unser Zeitalter als jenes erinnern, in dem der Mensch "den ersten Schritt vollzogen hat, die Natur in ihren Grundlagen zu verändern", sagte Ko-Leiter Gerfried Stocker am Donnerstag. Dies könne man als "Eintritt in ein neues Erdzeitalter" sehen.

Roboter sitzt im  Kaffeehaus

Drei Hauptstränge des Eingriffes in die "Human Nature", so das Motto des heurigen Festivals, stehen im Vordergrund: Der japanische Forscher Hiroshi Ishiguro liefert ein Beispiel für die neu geschaffene maschinelle Natur. Er hat seinen "Geminoiden" nach Linz gebracht, einen Roboter, der ein technischer "Klon" seines Schöpfers ist und derzeit im Cafe des Ars Electronica Centers als "ganz normaler Gast" sitzt.

Was passiert an dieser Begegnungsstelle von Mensch und Maschine, fragt sich Stocker. Die Roboter von Hiroshi Ishiguro, heuer Featured Artist der Ars Electronica, seien keine "Frankenstein-Technologie", sondern stellten wichtige Fragen zum Menschlichen.

Fassaden und Weltreisen

Bio- und gentechnologische Veränderung steht im Zentrum der Ausstellung im neuen Ars Electronica Center. Das erweiterte Kunstmuseum wird zudem Schauplatz eines "Fassadenfestivals": Die 5.100 Quadratmeter große gläserne Hülle wird Leinwand für künstlerische Arbeiten mit Musik, interaktiven Installationen und visuellen Experimenten.

Die dritte große Veränderung des Menschlichen findet die Ars Electronica in der vernetzten Natur: "Mit jedem Atemzug atmen wir nicht nur Feinstaubpartikel und Abgase der industriellen Revolution ein, sondern auch Unmengen an Gigabyte an Daten, die um uns herumschwirren", so Stocker.

In diesem Zusammenhang steht das Kulturhauptstadt-Projekt der Ars Electronica, die virtuelle Weltreise "80+1". Das bereits seit 17. Juni laufende Projekt wird durch ein Symposium zum Thema "Cloud Intelligence: Envisioning the Future" (5.9.) beschlossen, das sich u.a. mit den Online-Aspekten der Proteste im Iran auseinandersetzt.

Tradition der "Human Nature"

Mit dem Thema "Human Nature" führt die Ars Electronica eine lange Tradition fort: Bereits das erste Ars Electronica-Symposium im Jahr 1979 hat sich um den "modulierten Mensch" gedreht, so Ko-Leiterin Christine Schöpf. Zum Geburtstag will die Ars den Blick aber nicht hauptsächlich zurück, sondern nach vorne werfen.

Den Auftakt macht ein Blick nicht ins Innere des Menschen, sondern in die Weiten des Weltalls: Bei der "Sternennacht" (3.9., ab 22 Uhr) sind die Linzer dazu aufgerufen, alle Beleuchtung abzudrehen und so ein sonst in der Stadt nicht mögliches Erleben des Sternenhimmels zu erlauben.

Symposium: Teilnehmer unter Hausarrest

Mit rund 30 Arbeiten präsentiert sich das ebenfalls 30 Jahre alte M.I.T. Media Lab unter dem Titel "Impetus" in der Kunstuni, die bisher größte Schau der Avantgarde-Forscher. Unter den Vortragenden und Diskutanten bei der heurigen Ars Electronica sind u.a. der Wiener Molekularbiologe Josef Penninger und der kanadische Forscher Derrick de Kerckhove.

Derzeit sei es noch "fraglich", ob der unter Hausarrest stehende chinesische Blogger Isaac Mao (der gemeinsam mit David Sasaki das "Cloud Intelligence"-Symposium leiten soll) aus China ausreisen darf, so Stocker.

Goldene Nica: Der Mensch, eine Pflanze

Passend zur heurigen Thematik ist auch der Gewinner der Goldenen Nica in der Kategorie "Hybrid Art": Der US-Künstler Eduardo Kac hat sich im wahrsten Sinne des Wortes "pflanzen" lassen. Kac hat eine Sequenz seines Genoms in eine Pflanze übertragen und so aus einer Petunie eine "Edunia" geschaffen.

Weitere Preisträger sind u.a. ein begehbarer Sturm, eine Community kolumbianischer Blogger und der Animationsfilm "HA'Aki", der ein Hockey-Spiel auf visuell innovative Art zeigt. Die Preise im Gesamtwert von 122.500 Euro werden während einer Gala am 4. September im Rahmen des Festivals verliehen.


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