Wäre Philip Guston sein Vater gewesen,
erklärt Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, hätte dieser die
Comic- und Schundhefte unter Schröders Jugendbett wohl nicht zerrissen.
Guston hat den Comic schließlich geliebt. War es diese
Primär-Erfahrungs-Überlegung oder etwas anderes – Guston wurde
jedenfalls zu einem der "Lieblingskünstler" des Direktors. Und diesem
Künstler ist nun eine faszinierende Schau in der Pfeilerhalle der
Albertina gewidmet.
"Arbeiten auf Papier" sind es, späte
Arbeiten und viele Zeichnungen, die hier bis 25. November gezeigt
werden. Die Schau macht ihren Weg von Bonn über Dänemark nach Wien, bis
sie über München schließlich in Gustons Schaffens-stadt New York
landet. Wo er in den 50er Jahren Willem de Kooning und Mark Rothko
kennen lernte und 1980 nach einem Herzanfall stirbt.
Baumelnde Schuhe
Geboren wird Guston aber 1913 im kanadischen Montreal. Als siebtes
und letztes Kind einer russisch-jüdischen Emigrantenfamilie, die bald,
im Jahr 1919, nach Los Angeles auswanderte. Dort soll sich die
berufliche Situation des Vaters verbessern – diese Hoffnung erfüllt
sich nicht: er begeht bald Selbstmord. Philip Guston war es, der den
Vater im Zimmer hängend fand. Zuerst sah er nur die baumelnden Schuhe –
er hatte so nicht nur auf tragische Weise seinen Vater gefunden,
sondern damit auch ein häufiges Motiv späterer Arbeiten. Immer wieder
setzt er das Erlebte um: Im Raum Hängendem, derbem Schuhwerk oder
genagelten Sohlen begegnet man in seinen Zeichnungen immer wieder.
Nach dem Tod seines Vater widmet sich Guston der Kunst: Er beginnt
einen Lehrgang für Cartoonzeichnen und wird mit 14 Jahren an der Los
Angeles Manual Arts High School aufgenommen – dort trifft er auf
Jackson Pollock, der ihm Wegbegleiter bleibt. Die Renaissancemalerei
fesselt den jungen Künstler und irgendwo zwischen Comic und Renaissance
findet er zu seinem Stil. Der kein durchgängiger ist, sondern ein
wandelbarer, von unterschiedlichen Einflüssen geprägter.
Raucher und Trinker
Die 92 Arbeiten auf Papier, die nun in der Albertina gezeigt werden,
schuf er wie zur inneren Reinigung. In der Zeichnung holte er sich neue
Kraft in Krisen. Mit Tusche oder Kohle fand er seine Privatheit. Die
findet sich etwa in einem Bild, auf das Christoph Schreier, der auch
den Katalog der Ausstellung herausgegeben hat, hinweist: Es zeigt einen
Schuh, Gustons Frau Musa und ihn selbst – wie meist als kahlen Kopf mit
einem breiten Sehschlitz. Wenn Guston sich selbst zeichnet, dann meist
mit einer Zigarette: "Er war ein engagierter Raucher, Trinker und
Leser", erklärt Schreier: "Das fügte er zu kleinen Bildgeschichten
zusammen". Gustons Werk bekommt literarische Züge, wenn man seine
Illustrationen zu Clark Coolidge betrachtet.
Bücher wie Hochhäuser
Die Ausstellung in der Pfeilerhalle besticht wie Gustons Werk mit
Vielfalt: ein erdbeerrotes Kirschenhäufchen; politische Statements auf
himmelblauem Hintergrund; Bücher, die wie Skyscraper aussehen; ein
Sandwich, das sich wie ein Wurm räkelt; bedrohliche Kapuzenmänner, die
bei Guston immer wiederkehren; oder einfach zittrige Striche, mit denen
er wieder bei null anfing.
Ein Besuch dieser faszinierenden Schau und ein Blick in Gustons Bildwelten lohnen sich sehr.
Philip Guston.
Arbeiten auf Papier
Albertina Pfeilerhalle
Bis 25. November
tgl. 10 bis 18 Uhr,
Mittwoch 10 bis 21 Uhr
www.albertina.at
Faszinierend.
Freitag, 07. September 2007