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Die Österreichische Galerie Belvedere zeigt das Wetter vor unserer Haustür: "Stimmungsimpressionismus"

Wetterfühlig wie der Wienerwald

Von Claudia Aigner

300 Jahre Wiener Zeitung!Gut (also tief) gebückt ist halb gepflückt. Eine Gärtnerweisheit. Diejenigen nämlich, von denen hier die Rede sein wird, näherten sich der Botanik leidenschaftlich gern bis auf Pflückweite, zum Beispiel den prall knackigen Kürbissen (wenn diese schaulüsternen Damen und vor allem Herren quasi schon mit der Nasenspitze ins Kürbisbeet hineinmeditierten), oder rückten den "Honoratioren" auf dem Acker geradezu wie verliebte Gärtner zu Leibe: den imposant zerzausten Kohlköpfen meine ich.
Freilich nicht aus schnöder Vitaminlüsternheit. Vielmehr waren sie wegen der Stimmung indiskrete Gemüsevoyeure. Wegen der Gemütsverfassung der Kürbisse und Kohlköpfe? Waren Olga Wisinger-Florian oder Rudolf Ribarz also womöglich Gemüsepsychologen bzw. schlichtweg "Psychobotaniker"? Nein, Stimmungsimpressionisten.
In der Österreichischen Galerie im Oberen Belvedere hängen jedenfalls noch bis 4. Juli witterungsverwöhnte Landschaften, die ungefähr im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts dazu aufgelegt gewesen sind, von mehr oder weniger romantisch sehnsüchtigen "Naturburschen" und "-mädeln" gemalt zu werden, die zugegebenermaßen mitunter mehr Realisten als Sehnsüchtler gewesen sind. Da tanzen die Lichtstrahlen auf kapitalen Kürbissen oder den Kopftüchern von Bäurinnen oder kuscheln sich behaglich an die Waldeskühle an. Und erst mindestens 50 Jahre, nachdem sie dies getan hatten, verkündigte 1948 ein gewisser Fritz Novotny der Kunstgeschichte, dass dies der österreichische "Stimmungsimpressionismus" wäre. Man kann an dem gutgemeinten, novemberlich nebulosen Wort natürlich herumdoktern ("Stimmungsrealismus", "poetischer Realismus"). Oder sich wohlwollend geschlagen geben: Die Österreicher waren vielleicht keine farbenzerlegenden Augenimpressionisten wie die Franzosen, aber immerhin gemütvolle Herzimpressionisten.
Und wenigstens auf Emil Jakob Schindler, der als Lehrer, Vorbild oder überhaupt als verehrter Meister einen engeren Kreis (den so genannten "Schindler-Kreis") und auch weitere Kreise um sich zog, trifft der Stimmungsimpressionismus ja tatsächlich irgendwie zu. Schindler empfing, so zu sagen Aug in Aug mit dem Wienerwald oder den Donauauen, stets demütig den "Weihekuss der Natur" (Tagebucheintrag vom Frühling 1864) und ging, der unter dem Blätterdach die "wahre Kirche" fand, so gesehen mit dem Pinsel in den Wienerwald beten, während der Vorfrühling oder der Abend dort eine innig intime Messe feierten, Licht und Wetter aber natürlich nicht majestätisch pathetisch, also heroisch in die Waldluft hineinorgelten, sondern eher Ton in Ton (raffiniert nuanciert) sanfte Weisen summten, die vermutlich nicht einmal Kirchenlieder waren, sondern Schubertlieder. (Schindler hatte übrigens auch gefragte, auf Schubert eingestimmte Stimmbänder.)
Und dass dieser "pleinairistische", also freiluftige Stimmungsmaler, dessen Freilichtmalerei allerdings im Endstadium dennoch eine "Atelierluftmalerei" war, nicht nur eines Ehrengrabes auf dem Wiener Zentralfriedhof für würdig befunden wurde, sondern gar eines Denkmals im Stadtpark, das kann auch nicht bloß an der Fürsprache seines "schindlerbemühten", ergebenen Jüngers Carl Moll liegen, der nach dem Ableben des angebeteten Meisters sogar dessen Witwe Anna übernimmt respektive "erbt" bis hin zur Heirat.
Apropos Frauen, die im 19. Jahrhundert im strikten Patriarchat mit Namen "Kunstakademie" ja nicht zugelassen waren: Tina Blau und insbesondere Olga Wisinger-Florian (die Überbringerin der Farbenpracht, ob blumig oder herbstlich, eine farbstrahlende Blumenvirtuosin, die gleichsam immer wieder wie Rotkäppchen einen Blumenstrauß gepflückt hat, um danach aber für einen beschaulichen Moment innezuhalten und den Strauß einfach in die Landschaft zu legen, bevor sie damit zur Großmutter geht), die beiden Privatschülerinnen Schindlers stehen ihrem Lehrmeister in nichts nach.
Von Tina Blau existiert im übrigen ein geradezu programmatisches Foto: Wie sie ihr "Malwagerl" durch den Prater schiebt. Ein Kinderwagerl (das "natürliche" Attribut der Frau, fast schon eine externe Gebärmutter), mit improvisiertem Emanzipationstalent (oder emanzipiertem Improvisationstalent?) umgerüstet zum Freilichtmalgefährt mit integrierter Staffelei.
Bemerkenswert auch, ohne jetzt das angestrengte Hinschauen und das Belauern der Natur dafür verantwortlich machen zu wollen, dass gar nicht so wenige dieser Stimmungsmaler, die einen ausgeprägt "wetterfühligen" Blick hatten, derb optometrisch, also sehkraftbestimmend ausgedrückt: "schaßaugert" waren. (Marie Egner starb 1940 fast erblindet, Theodor von Hörmann, der zeitweise in pikant militanter Kombination Fechten und Zeichnen unterrichtete, war kurzsichtig, Robert Russ hatte eine Staroperation und Olga Wisinger-Florian war am Ende völlig blind. Schindlers Tod durch Blinddarmentzündung zählt nicht, denn mit dem Darm schauen bekanntlich nur die Ernährungsberater.)
Als "Augenschule" dazwischengehängt: Bilder jener mit ihrem Malgerät in den Wald von Fontainebleau pilgernden Schüler der "Schule von Barbizon" (Millet, Rousseau, Corot), die für die österreichischen "Stimmungsimpressionisten" ein nicht zu unterschätzender Quell der Inspiration waren.

Erschienen am: 17.03.2004

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