Die Ordnung von Welt und Wissen

Das Universalmuseum Joanneum beschäftigt sich in drei Ausstellungen mit der Ergründung und (Neu-)Konstruktion unserer Welt. Nicht alles muss man glauben.

Foto © JoanneumVideo ?Anna Schwinger: Installation von Artefakten der Repolusthöhle“ von Sharon Lockhart (2011)

Archäologie

Die erste Sonderausstellung im 2009 eröffneten Archäologiemuseum geht zurück an den Start: Unter dem Titel "Zeitenanfang" präsentieren

der Archäologe Daniel Modl und Joanneum-Intendant Peter Pakesch ab 21. Juni die altsteinzeitlichen Funde aus der Repolusthöhle bei Peggau.

1910 vom Bergmann Repolust entdeckt, erforschte das Joanneum ab 1948 die Höhle im Badlgraben. Bei den Ausgrabungen konnten Tierknochen, Quarz- und Hornsteingeräte sowie bearbeitete Knochenartefakte geborgen werden. Sie sind kostbarer Beleg für die erste Besiedlung des Landes durch den Menschen während der letzten Eiszeit, die vor 115.000 Jahren begann.

Ein Schwerpunkt der Schau liegt in der Forschungsgeschichte des Fundorts. Zudem gibt ein Video der Künstlerin Sharon Lockhart Einblicke in die Ordnung des archäologischen Wissens und schlägt eine Brücke in die Gegenwart (siehe Kunsthaus).

Alte Galerie.

Mit seinen mehr als 100 Werken Albrecht Dürers (1471 - 1528) könnte das Joanneum locker eine Personale des Nürnberger Meisters zeigen. Im Jubiläumsjahr rücken die Kuratorinnen Karin Leitner-Ruhe und Helga Hensle-Wlasak jedoch die hochspannende "Zeitenwende" rund um Dürer in den Mittelpunkt. Diese Wende von der Spätgotik zur Renaissance stand ganz im Zeichen globaler Entdeckungsreisen und individueller Bewusstseinsbildung. Zu den wichtigsten Innovationen zählte der Buchdruck, der - wie heute das Internet - eine Medienrevolution auslöste.

Die Ausstellung versammelt ausgewählte Grafiken Dürers und verknüpft diese unter verschiedenen Gesichtspunkten wie Religion und Wissenschaft mit Werken von Vorläufern, Zeitgenossen und Nachahmern. Der italienische Künstler Marcantonio Raimondi etwa kopierte etliche Arbeiten des Nürnbergers und fügte auch dessen Monogramm hinzu, was zum ersten urheberrechtlichen Prozess in der (Kunst-)Geschichte führte.

Kunsthaus.

Anna Schwinger bringt die Welt in Ordnung: Die Kamera beobachtet die archäologische Aufbauhelferin beim Anordnen altsteinzeitlicher Fundstücke aus der Repolusthöhle, die ab 1948 vom Joanneum geborgen wurden. Umsichtige, poetische Bilder einer umsichtigen Arbeit.

Sharon Lockharts Videoinstallation ist Bestandteil der kommenden Präsentation im Archäologiemuseum (siehe links). Und eine von rund 40 zeitgenössischen Positionen in der Ausstellung "Vermessung der Welt. Heterotopien und Wissensräume in der Kunst" im Kunsthaus Graz. Wie schon in ihrem Video "Double Tide" von 2009, in dem die US-Künstlerin eine Muschelsammlerin fast schon aufreibend langsam filmte, wird auch das Positionieren der Steine in ihrer neusten Werk zu einem Mantra des Arbeitsprozesses an sich. Ordnung erfordert Geduld.

Seit Urzeiten versuchen Menschen, ihre Beobachtungen einzureihen. Die Ausstellung befragt die Art und Weise, wie zeitgenössische Kunst Ordnungssysteme entwirft und die Welt vermisst. "Gerade wenn Künstler arbeiten, kommen die Denkbilder durcheinander ", sagt Peter Pakesch, der die zweigeschossige Schau gemeinsam mit Katrin Bucher Trantow zusammengestellt hat. "Und neue Ansichten entstehen."

Von Marcel Broodthaers zu sehen sind Tafeln mit Kühen, wie sie aus Lehrbüchern bekannt sind. Darunter Namen bekannter Automarken. Einmal mehr hat der Surrealist die Bedeutung des Bildes und die des Wortes gegeneinander ausgespielt. Das Grazer Künstlerduo zweintopf thematisiert den menschlichen Trieb, Territorien abzustecken. Im Zentrum der Arbeit stehen Ultraschall-Abwehrgeräte, wie sie gegen Insekten, heute aber auch gegen Jugendliche im Einsatz sind.

Charles und Ray Eames geben in ihrem Film "Powers of Ten" von 1968 einen Eindruck von den relativen Größenverhältnissen im Universum. Von Ai Weiwei, den das chinesische Regime im Frühjahr verschwinden ließ, ist u. a. eine "Map of China" zu sehen, die der Künstler und Dissident aus Holz zerstörter buddhistischer Tempel angefertigt hat.

Mit ihren kritischen und ironischen Zwischentönen erinnert die Ausstellung zuweilen an Daniel Kehlmanns Bestsellerroman "Die Vermessung der Welt". Ein Katalog sorgt für das theoretische Fundament. Insgesamt sehr in Ordnung!