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Kunsthalle Krems: Wirklichkeitsmensch im Krieg

23.03.2009 | 18:50 | BARBARA PETSCH (Die Presse)

Ausstellung über Otto Dix (1891 - 1969). Er ballte die grausamen Realitäten seiner Zeit in schonungslosen Bildern zusammen. Dix erlebte zwei Weltkriege. Die Nazis verfolgten ihn.

Ein Baby liegt brüllend und bloß auf einem weißen Laken. Martha Dix erzählt im Film zur Ausstellung in der Kunsthalle Krems, wie es zu dem Bild kam: Nach der Geburt des Sohnes Urs erwachte sie, das Baby war weg. In einem Nebenraum entdeckte sie Ärzte und Schwestern, die seelenruhig zusahen, wie der Vater den schreienden Säugling verewigte. Das sehr realistische Bild hängt in der Schau. Arbeiterkind Otto Dix machte rasch Karriere in einer grausamen Zeit, die auch aus seinen Bildern spricht: Huren, Greisinnen mit hängenden Brüsten, Mörder, Matrosen, Soldaten, Schützengräben.

Dix erlebte zwei Weltkriege. Im Ersten meldete er sich freiwillig. „Kubofuturistisch“ nennt man die halb zerfetzten Totenköpfe, verbrannten Körper, die Gasmasken und toten Augen, die er gestaltete. Seine Arbeiten steckte er in seinen Tornister. Einen Wirklichkeitsmenschen nannte er sich selbst – und bildete sich ab als Schießbudenfigur. Die Botschaft: Der anfängliche Idealismus wuchs bald der Erkenntnis, nur gesichtsloses Kanonenfutter zu sein.

Den Zweiten Weltkrieg verbrachte Dix, nachdem ihn die Nationalsozialisten in Dresden, wo er einer der jüngsten Kunst-Professoren war, wegen „Zersetzung des Wehrwillens“ entlassen hatten, in innerer Emigration. Seine auf den ersten Blick romantisch-idyllisch wirkenden Naturbilder entpuppen sich alsbald als Szenarien der Zerstörung, als wäre ein Panzer durch den Wald gefahren. Mit seiner Familie lebte Dix am Bodensee. 1945 wurde er zum Volkssturm eingezogen. 1946 kam er aus der französischen Kriegsgefangenschaft heim. Im Spätwerk finden sich viele christliche Motive, die aber weniger mit Bekehrung als mit der peinigenden Beschäftigung mit Schuld und Sühne zu tun haben – und der Frage, wie man das erlebte Grauen verarbeiten kann.

Dix selbst gleicht seinen Bildern wenig. Auf Fotos sieht er aus wie ein fescher Kavalier. Frau Martha teilte ihn mit einer Zweitfamilie in Dresden. 1969 starb der Künstler. Seine von ihm adoptierte Enkelin betreut heute seine Stiftung in Vaduz. (Bis 12. 7.)


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