DER STANDARD, 28. März 2002

WIRTSCHAFTSRÄUME: STEIERMARK

Kulturhauptstadt als Katalysator

Das Jahr 2003 wirft nicht nur für die mächtig angekurbelte Bauwirtschaft der Kulturhauptstadt Graz lukrative Schatten voraus, sondern soll auch ihre internationale Positionierung - von Amerika bis Japan - verbessern.


Colette M. Schmidt

Wer in Graz lebt, hat spätestens seit 2001 das Gefühl, eigentlich schon das Jahr 2003 zu schreiben. Für die Bewohner lässt sich vor allem an der "Benutzeroberfläche" ihrer Stadt erkennen, dass nichts mehr so ist, wie es war. Allerorts wird gebaut: Hier ein extraterrestrisches Kunsthaus, dort eine Stadthalle für alle und ein Literaturhaus für Er-lesene, der Hauptplatz und der Bahnhof sind Großbaustellen, und selbst der Hausfluss, die Mur, bekommt eine Insel implantiert.

Wer aber die vielfältigen Auswirkungen der Kulturhauptstadt als Katalysator für die Wirtschaft der Stadt begreifen will, muss hinter die bauunternehmerischen Fassaden blicken. Hansjürgen Schmölzer, Marketingchef von Graz 2003, spricht unter anderem von den "Soft Skills" der Stadt, wo sich die längerfristigen Entwicklungen abzeichnen würden. "Wir bekommen eine größere Internationalität, große Tourismusanbieter haben uns weltweit erstmals und in Hinblick auf 2003 in ihre Listings aufgenommen."

So erwartet man sich auch vermehrt amerikanische Touristen, die bisher kaum neben Vienna und der "Sound of Music"-Location Salzburg eine Stadt wie Graz besucht hätten. Die Nächtigungszuwächse ehemaliger Kulturhauptstädte wie Kopenhagen und Stockholm von elf Prozent sind beachtlich. Graz wird zudem die erste Kulturhauptstadt sein, die Tickets für alle Veranstaltungen an mehr als 1200 internationalen Kartenverkaufsstellen und im Internet anbietet. Schmölzer: "Sie können die gesamte Kulturhauptstadt samt Nächtigungen und Flügen online buchen." Auch für die irische Fluglinie Ryan Air, die ab April täglich von Graz nach London fliegen wird, war laut Schmölzer "die Kulturhauptstadt ein wesentliches Argument für diese neue Destination."

Selbst im Fernen Osten regt sich Interesse an Graz. Die "Organization of EU-Japan Fest Committee", eine japanische Stiftung, der auch der frühere japanische Premierminister Toshiki Kaifu sowie Vorstandsvorsitzende und Aufsichtsräte von Pioneer, Fuji und Toyota angehören, ist um die Vertiefung europäisch-japanischer Beziehungen bemüht. Zu diesem Zweck sponsert die Stiftung in jeder europäischen Kulturhauptstadt einzelne Projekte. Gleichsam als Gastgeschenk für Graz hat man ein Feuerwerk mit im Gepäck, wie es die Stadt noch nicht gesehen haben soll. Schmölzer: "Sie investieren nicht nur - in Schilling gerechnet - Millionenbeträge direkt in das Programm, sondern nutzen ihren Besuch auch, um Wirtschaftskontakte auf höchster Ebene zu knüpfen." Bleibt zu hoffen, dass solche Begegnungen nicht wie ein Feuerwerk verglühen.


© DER STANDARD, 28. März 2002
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