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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
02. September 2005
20:53 MESZ
Von Peter Vujica  
Foto: Kunsthalle Wien

Das Schachbrett als Kunstfaktor
"Operation Capablanca" Von Zenita Komad in der Kunsthalle

Wien - Neuerdings hat die Wiener Kunstszene das Schachspiel entdeckt. So sind Christian Ludwig Attersee samt Gemahlin und Erwin Wurm schon Ende August gegen Großmeisterin Regina Pokorna angetreten. Mit von den Partien war auch der Direktor der Kunsthalle Wien mit dem zum Schachspiel nicht gerade immens ermutigenden Namen Gerald Matt.

Vielleicht hat der Letztgenannte, als er die aus Kärnten stammende Künstlerin Zenita Komad zu seiner Ausstellung Lebt und arbeitet in Wien einlud, gar nicht gewusst, dass das 64 Quadratmeter große Schachbrett, das sie in dieser Schau markierte, am vergangenen Donnerstag Schauplatz einer musikdramatischen Aktion mit dem Titel Operation Capablanca sein würde.

Als Namenspatron fungierte der legendäre kubanische Schachweltmeister José Raoul Casablanca, dessen im Jahr 1933 in Los Angeles gespielte Partie nun auf Zenita Komads Schachbrett und unter ihrer Regie mit insgesamt bestechender künstlerischer Präzision nachgestellt wurde.

Dabei handelte es sich nicht um die heute mancherorts gängige Belebung der Schachfiguren durch Darsteller. Lediglich die weiße Dame und der schwarze König wurden zu Bühnenleben erweckt. Der Sieg der weißen Dame vollzog sich durch die von beflissenen Helfern (Rebecca Hagg und Gesualdo) nach den Anweisungen zweier auf Hochsitzen postierter Beobachter (Lothar Schmid und Lucas Gehrmann) durchgeführten Bewegungen der übrigen Figuren.

Durch deren zahlenmäßige Beschränkung auf die in der Partie verwendeten Steine ergab sich ein gut einsehbarer und in seinen Konstellationen ständig wechselnder Mix aus Akteuren und den von Zenita Komad zu eindrucksvoll atavistischen, in ihrer Spielfunktion aber dennoch spontan erkennbaren Objekten.

Der Inhalt des von der Künstlerin gemeinsam mit Lothar Schmid erstellten Librettos beschränkte sich keineswegs auf den Ablauf der Partie, sondern verwob auch die Legende von Sissa Ibn Dahir, der das Schachspiel zur Zähmung des tyrannischen indischen Herrschers Siriham erfunden haben soll, um diesem vorzuführen, dass ein Regent ohne seine Helfer verloren ist.

Freilich ging dieses inhaltliche Element durch die bei derlei musiktheatralischen Unternehmungen beinah gebotene Unverständlichkeit des Textes verloren. Teilweise zumindest wurde dieser Mangel durch die kompositorische Qualität, mit der diese Texte vertont wurden und auch durch die hohe Qualität der Wiedergabe kompensiert.

Die intensive Präsenz, mit der Maria Harpner ihren zwischen Sprache, schrillem Schrei und Gesang wechselnden Part bravourös bewältigte, war dem kompositorischen Niveau Bernhard Langs durchaus angemessen. Seine Vertonung folgt den zwischen Schachkalkül und narrativer Assoziation wechselnden Stimmungen des Textes seismografisch genau und findet im Augenblick der menschlichen Annäherung von siegreicher Königin und besiegtem König folgerichtig auch zu schlichten Vokalisen.

Auch der vom Countertenor Johannes Reichert vorgetragene Prolog verbreitete in Nadir Gottberg psalmodierend hymnischer Vertonung spontane Stimmungsdichte. Warum für die Rolle des die ganze Aufführung lang stumm dastehenden schwarzen Königs ausgerechnet Ignaz Kirchner herhalten musste, bleibt allerdings ein Rätsel. Doch auch Rätsel sind Merkmale der Kunst. (DER STANDARD, Printausgabe, 03./04.09.2005)


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