Salzburger Nachrichten am 24. Juli 2006 - Bereich: Kultur
Wunderkammer der Privatmythologien Ausstellungen zweier
Kunstvereine in Graz: "Dings" und "On tunnels and corridors"
MARTIN BEHR GRAZ (SN). Die Sammlung Ludwig, die Sammlung Essl, die Sammlung
Leopold: Bei diesen Namen ist es unvermeidlich, an eine Kollektion
prominenter Bilder, Grafiken oder Plastiken zu denken. Sammeln als
umfassendere Passion, auch als künstlerische Strategie kommt in dem
Ausstellungsprojekt "Dings. Aus den Sammlungen Hofer, Kaplan, Petrowitsch,
Strobl, Thümmel, Wolf" im Grazer Kunstverein ESC zum Ausdruck. Das, was die sechs Grazer Kunstschaffenden und Kulturarbeiter sammeln,
hat privaten Charakter, ist Wunderkammer und mythologisches
Privatuniversum zugleich: der eingetrocknete Frosch aus Marrakesch zum
Beispiel, die auf Flughäfen aufgenommenen Geräuschkulissen, der
Strickpullover mit dem Logo der Olympischen Spiele 1976 in Innsbruck, die
Papstlieder-Schallplatte oder Körperhaare und -nägel, die im Zeitraum von
15 Jahren gesammelt wurden. Die Restauratorin Erika Thümmel montiert aus einem keltischen
Totenschädel und einer jüdischen Kopfbedeckung ein "Memento mori, wie es
in jeden Haushalt gehört". Die Künstlerin Edda Strobl verwandelt eine
Kindheitserinnerung, die Stofftier-Katze, zu einem geheimnisvollen
Fetisch, Anita Hofer wiederum verwahrt herkömmliche Kunstwerke ebenso wie
eine 30 Jahre alte Blutkruste, die sich nach einer schweren Knieverletzung
gebildet hatte. Was alle Objekte eint, ist deren Inspirationsquelle. Ein Ding in ihrer
Sammlung sei ein Ideengeber, es entstehe eine Art Kommunikation, sagt
Hofer (bis 17. 9.). Im Kunstverein Medienturm erwartet die Besucher eine an
David-Lynch-Filme erinnernde Versuchsanordnung: Gerold Tagwerker hat einen
labyrinthischen Gang mit nervös flackerndem Neonlicht in die Räume
montiert. Das Begehen der Skulptur setzt Erinnerungen an düstere
Filmsequenzen frei, der Gedanke an potenzielles Grauen ist permanenter
Begleiter. Tagwerkers Spiel mit Klaustrophobie und anderen Urängsten steht im
Dialog mit Videoarbeiten von Siegrun Appelt, die außerhalb des Tunnels
sowie im kühl-feuchten Schimmel-Keller zu sehen sind: Videos, die
ebenfalls mit der menschlichen Imagination hantieren, Aufnahmen von
Autotunnels, nächtlichen Parkanlagen oder anderen Angsträumen zeigen. "On tunnels and corridors": Mit ihrer Schau provozieren Appelt und
Tagwerker in den Köpfen der Betrachter aus den Medien bekannte
Gefahrensituationen. Hell-dunkel-Effekte nähren diese spannende
Umcodierung einer an sich harmlosen Realität (bis 2. 9.).Informationen im
Internet: esc.mur.at; www.medienturm.at |