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Ausstellungen: Auf Reportage mit Karajan

01.04.2008 | 19:15 | JOHANNA HOFLEITNER (Die Presse)

Salzburg etabliert sich als Hauptstadt der Fotografie: Die „Leica-Galerie“ und der „Fotohof“ zeigen Werke von Erich Lessing, am Mönchsberg ist eine fabelhafte Retrospektive von Hiroshi Sugimoto zu sehen.

Wenn es in Österreich eine Foto-Kapitale gibt, darf sich Salzburg diesen Ruf auf die Fahnen heften. Mittlerweile beschäftigen sich dort drei Institutionen exklusiv mit Fotografie. Nach Gründung der Produzentengalerie „Fotohof“ 1981 hat das Medium 1983 mit der „Österreichischen Fotogalerie“ unter Federführung Otto Breichas auch eine breite museale Plattform erhalten.

Mit der neu eröffneten „Leica-Galerie“ hat Salzburg weiter Verstärkung bekommen. Passend zum Karajan-Jubiläum setzt die mit dem traditionsreichen Kamera-unternehmen Leica assoziierte Galerie mit Erich Lessings Karajan-Porträt in 50 Bildern einen thematischen Akzent. Entstanden ist es für eine Reportage, die der 34-jährige Bildjournalist, der 1951 als zweiter Österreicher nach Ernst Haas zur berühmten internationalen Foto-Kooperative „Magnum“ gestoßen war, 1957 im US-Magazin „Esquire“ veröffentlichte.


Die Leidenschaft der Musik

Lessing hatte den Dirigenten dafür nach Berlin, Luzern, Wien und Salzburg begleitet. Die dabei entstandenen Aufnahmen in Schwarz-Weiß sind Schnappschüsse im besten Wortsinn. Sie vermitteln nicht nur das Bild eines energiesprühenden Künstlers, der sich leidenschaftlich der Musik hingibt. Die Aufnahmen erzählen auch davon, wie er seine Umgebung mit Charisma und Witz für sich begeisterte. Köstlich etwa, wie er in den Pilatus-Werken sein neues Flugzeug inspiziert. Wie er Zügen nachhetzt, Boot fährt, Limousinen besteigt oder mit Künstlerinnen schäkert.

Ein Wermutstropfen der Schau ist ihre Aufbereitung. 50 Jahre nach ihrer Entstehung wurden die Negative neu vergrößert – zwar unter Aufsicht des Meisters, aber leider auch auf Effekt heischende Plakatgröße. Das ist überflüssig, den die Qualität dieser Aufnahmen liegt in ihrer Handwerklichkeit. Viel spannender wäre es gewesen, Originalabzüge, also „Vintage-Prints“, im ursprünglichen Format zu zeigen, ergänzt durch ein Exemplar von „Esquire“, was der Ausstellung auch etwas vom Zeitgeist der 1950er verliehen hätte.


Soziales Porträt der Fünfzigerjahre

In dieser Hinsicht brilliert hingegen die Parallelausstellung im Fotohof, die anhand von Vintages einen Querschnitt durch Lessings frühes fotojournalistisches Schaffen gibt. Kultur spielt da wohl auch eine Rolle (Festspiele Bayreuth und Salzburg, Wiener Opernball), viel mehr aber zeichnet die Originalauswahl ein soziales Bild Europas in den 1950ern. Wie hier Aufnahmen von Deutschland im Wirtschaftswunder, aber auch in der Teilung, neben Bildern von der ungarischen Revolution, türkischen Flüchtlingen, anatolischen Landwirtschaftslehrern oder jugoslawischen Arbeitern hängen, das lässt nicht nur die menschliche Nähe spüren, die das große Ziel der Magnum-Fotografie war. Es zeigt darüber hinaus auch nachgerade lehrstückhaft auf, wie nachhaltig und einprägsam Dokumentarfotografie Bilder zur Geschichte liefern kann.


Purismus aus Japan

Während man klassischer Fotografie, die sich nachdrücklich zum Handwerk bekennt, übel nimmt, wenn sie durch Größe klotzt, kann das Spiel mit der Dimension bei grenzüberschreitender Fotografie ein Qualitätskriterium sein. Das belegt am Mönchsberg so prächtig wie puristisch Hiroshi Sugimoto. So wie der 60-jährige Japaner, dessen Lebenswerk kaum mehr als ein Dutzend Werkgruppen umfasst, die Ausstellung maßgeschneidert für das Haus gehängt hat, lässt er vergessen, dass sie zugleich auch Retrospektive (und weitere Station seiner großen Welttournee) ist, was immer auch den Hautgout des Funktionalen hat.

Ganz meditativ wirkt das Entree mit neun Seestücken, auf denen nur Wasser und Himmel zu sehen ist, was der Ausstellung gleich zum Auftakt eine schier unermessliche Ruhe verleiht. Ihnen folgt ein Block Architekturaufnahmen, die den Betrachter in ihrer Unschärfe die Grenzen der Wahrnehmung ausloten lassen. Oder die verdoppelte Wirklichkeit, die Sugimoto auf den weißen Leinwänden von Lichtspielhäusern und Autokinos ebenso wie in Porträts aus Wachsfigurenkabinetten oder Schaukästen mit Tierpräparaten ausgemacht hat. Ausklingen lässt Sugimoto den Parcours in kameraloser Fotografie, wo Zeichnung und Hell-Dunkel-Verläufe durch die bloße Aktion von Licht entstehen.

So wie Sugimoto die Fotos als Ausschnitte einer künstlichen Wirklichkeit in Beziehung gesetzt hat zu den Wandflächen, Durchlässen und Fensterausschnitten der realen Architektur, kommen die zwölf mit einer Großbildkamera aus dem 19.Jahrhundert aufgenommenen Schwarz-Weiß-Werkgruppen daher wie eine einzige harmonische Gesamtinstallation. Das kommt nicht nur der Wirkung der Ausstellung zugute, sondern tut auch dem Museum als Ganzes gut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2008)


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