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Kunstberichte

Dekonstruktion und Wolkenvilla

"Beyond the Blue": In der MAK-Ausstellungshalle sind Modelle von Coop Himmelb(l)au zu bestaunen
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- Das Modell der BMW-Welt in München von Coop Himmelb(l)au im Wiener MAK.  Foto: apa/Pfarrhofer

Das Modell der BMW-Welt in München von Coop Himmelb(l)au im Wiener MAK. Foto: apa/Pfarrhofer

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Was 1968 neben Hans Hollein, Walter Pichler, Raimund Abraham und der englischen Gruppe Archigram mit utopischen Projekten begann, ist zu einer Erfolgsgeschichte von rund 600 Entwürfen angewachsen. Davon wurden – zumindest in den letzten Jahrzehnten – nicht wenige auch ausgeführt.

Das Architekturbüro Coop Himmelb(l)au war immer ein Team, an dessen Spitze bis 2006 Wolf D. Prix und Helmut Swiczinsky standen; Letzterer hat sich vor zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen, dafür sind 2004 Wolfdieter Dreibholz & Partner eingestiegen.

"Retroperspektive"

Das Museum für Angewandte Kunst hat mit einer Bühne aus Lichtboxen in der zentralen Halle, auf der hunderte verschieden große Modelle aus vier Jahrzehnten Platz finden, für das Team eine multimediale "Retroperspektive" geschaffen.

Denn zurückschauen mag Wolf D. Prix nämlich nicht, seine Akzente sind bleibend in die Zukunft gerichtet. Von einer Stufenbühne lässt sich das als eine eigene Idealstadt mitsamt Filmprojektionen und theoretischen Aussagen betrachten. Eine Inszenierung, die jeder Architekt genießen würde – für Besucher ist sie zwar als Gesamteindruck beeindruckend, aber auf Augenhöhe nur schwer im Detail zu betrachten. Allerdings sind alle Projekte in einem Fotostreifen in vier Bahnen entlang der drei weiteren Räume und zum Teil im Katalog noch einmal einzeln präsentiert.

Angenehm reduziert ist in den Umgangsräumen die Konzentration auf die letzten drei Projekte mit zahlreichen Modellen im Entstehungsprozess: die BMW-Welt in München als Erweiterung des Baues von Karl Schwanzer ist mittlerweile vollendet.

Noch im Bau ist die Zentralbank in Frankfurt auf einem Areal am Mainufer, die in dieser Stadt natürlich nicht ohne einen weiteren hohen Turmbau agiert.

Das Musée des Confluences in Lyon zwischen Technik, Biologie und Ethik kommt der typischen Architektursprache von Coop Himmelb(l)au als kristallene Wolke mit veränderbaren Zwischenräumen, Hybridisierung des Materiellen und Verschmelzung neben deformierender Auflösung besonders entgegen. Aus der Vogelperspektive nimmt es die Form eines Düsenjägers an. Maschinen, neue Techniken, aber auch immer Naturmetaphern in der Beschreibung ihrer Projekte, ergeben die typische Mischung des Teams: diese Bauten sollen die Wirkung eines in die Stadt einbrechenden Sturmes vermitteln.

Das gelang auch in vielen ihrer Dachausbauten, in Filmpalästen und Museen in der Schweiz und in Ohio. Sind die Auflagen der Gebäude aber anders ausgerichtet, kann es auch zu einer brutalen Wirkung kommen – wie im Wohn- und Bürohaus Schlachthausgasse in Wien.

Doch "brutal" und "geil" sind für Prix durchaus richtige Eigenschaften neuer Architektur für die Stadt der Zukunft.

Coop Himmelb(l)au.

Beyond the Blue

Museum für Angewandte Kunst, Ausstellungshalle

Bis 11. Mai 2008

Kurator: Jeffrey Kipnis

Abgehoben.

Mittwoch, 12. Dezember 2007


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