Mit einem "Museum der Wünsche" eröffnet die neue Direktorin Karola Kraus das Mumok

Umwälzanlage für Kunstgeschichten


Wien.

Wunschdenken: Dieser "Living Room" von Stephen Prina könnte Karola Kraus gefallen.

Wunschdenken: Dieser "Living Room" von Stephen Prina könnte Karola Kraus gefallen.© MUMOK/Böswart Wunschdenken: Dieser "Living Room" von Stephen Prina könnte Karola Kraus gefallen.© MUMOK/Böswart

Soll und Haben: Das Mumok hat ein neues, minimalistisches Design - von Florian Pumhösl. Zum Glück ein neues Kino - von Heimo Zobernig und Michael Wallraff. Und ein neues Café mit einer Wandtapete von Cindy Sherman und Lampen von Franz West, neue Direktionsräume und ein Besprechungszimmer hinter Glaswand vom Büro Ortner & Ortner. Sogar die Dienstkleidung der Aufsicht ist neu. Die Terrazzoböden sind saniert und eine neue Einteilung der Stockwerke folgt nun der Logik von 0 für das Erdgeschoß bis minus 3 und plus 6 - das erleichtert.

Direktorin Karola Kraus hat viele Werke von ihren Plexigläsern befreit, sofern sie dem Haus oder der Stiftung Ludwig gehören. Sie plant, die Sammlungsbestände in die vier monografischen oder thematischen Ausstellungen pro Jahr zu integrieren, und hat ein Kinoprogramm, kuratiert von Matthias Michalka, für jeden Mittwoch eingeführt. Das Kino kann auch für Tanz, Performance, Diskussion multifunktional genützt werden. Die Funktion der Factory übernimmt das Auditorium, das derzeit in die Ausstellung eingebunden ist, aber künftig den jungen Positionen offen steht.

Die noch jüngeren Besucher sind mit einem neuen Kinderclub integriert, es gibt ab jetzt Sonntagsprogramme für Familien, Atelier, Kino, eigene Kinderkunst-Transporter machen es den Kleinen möglich, zu sitzen und Material zu befördern. Die Neueröffnung beginnt mit einem Tag der offenen Tür am Samstag, den 10. September, mit Mal- und Textwerkstatt für Kinder, Führungen und einem Fest vor dem Haus, samt Musikprogramm und Tombola. Aus ihr will Kraus wieder einen Teil für eine Neuerwerbung lukrieren. Die Ausstellung über Claes Oldenburg, die Achim Hochdörfer für das Frühjahr, nach dem Museum der Wünsche, plant, wird auch ans Museum of Modern Art in New York gehen. Ein Außenerfolg, den das Haus dringend braucht, um selbst hochkarätige Kooperationen an Land zu ziehen.

Traum und Wirklichkeit: Die Ausstellung "Museum der Wünsche" wurde von Kraus mit ihren Kuratoren und den Sammlungsleitern konzipiert und füllt bis Jänner alle Stockwerke. Die Idee geht auf das legendäre "Museum of Wishes" in Stockholm 1963 und ein Konzept im Kölner Ludwig Museum von 2001 zurück.

Zu ausgewählten Exponaten aus der Sammlung (weiß beschriftet) werden kürzlich realisierte Ankäufe (goldene Beschriftung) und die Wünsche (graue Tafeln) in lockerer Abfolge oder Gegenüberstellung gehängt. Es gibt eine Chronologie von ganz oben mit klassischer Moderne, wo natürlich kein graues Schild mehr möglich ist, bis zur Gegenwartskunst in der Ebene minus 3, die mit Fotos und neuen Medien größere Wunschlisten möglich macht.

Die auf kreuzförmigen Einbauten basierende Ausstellungsarchitektur stammt teilweise von Kühn/Malvezzi, die großen Abstände sind angenehm für eine intensive Wahrnehmung, offene Sicht, Auffädeln gibt’s nur bei Serien. Herbert Brandl und Gerhard Richter durchbrechen schon die Klassiker, immer wieder gibt es solche Einschlüsse, nicht immer sind sie gelungen, nicht immer ist Reduktion der Clou. Der Osten ist stärker eingebunden, da lässt sich denn auch noch Henryk Stazewski von 1961 wünschen. Schwieriger wird das im Westen bei Palermo oder Martin Kippenberger und Albert Oehlen. Auch Franz West und Isa Genzken haben die Vorgänger von Kraus leider nicht rechtzeitig gekauft, obwohl Kuratoren dazu rieten.

Ein wenig lässt sich spüren, dass bei allen persönlichen Wünschen und Beziehungen der Direktorin der demokratische Beschluss eine Rolle spielt, kennerschaftliche Ergänzungen des Kuratorenteams sind sichtbar. Die Entscheidung, über vier Monate alle Stockwerke mit dem "Museum der Wünsche" zu füllen, ist zu hinterfragen.

Welches Publikum und welche Sponsoren sollen da zusätzlich gewonnen werden? Die österreichischen Positionen bleiben auf jene beschränkt, die schon seit einiger Zeit gekauft werden, wie die Aktionisten, allerdings ohne die weibliche Szene, die Carola Dertnig in "Mothers of Invention" zeigte. Künstlerinnen sind mit Greta Bratescu, Isa Genzken, Louise Lawler, Cindy Sherman oder Tacita Dean weniger und nur international vertreten; da bleibt offenbar alles beim Alten. Auch was die Wiener Galerien betrifft, zeigt sich kein Wechsel durch Intentionen von Kraus.

Erfreulich ist der bereits gelungene Ankauf des Archivs von "Museum in progress", die eigene Arbeit im öffentlichen Raum im Museumsquartier sollte folgen. Ein wenig provokant könnte Stephen Prina sein, der ja als Filmer, Künstler und Musiker auftritt, und die Populärkultur mit der Moderne, hier Architekt Rudolph Schindler, verquickt: Möbel mit rosa Anstrich, reflexiv, aber vielleicht doch mehr Phantomkörper? Sperrholz, auch ein Leibmaterial von Heimo Zobernig, der neben seinen Einbauten wenigstens Wünsche offen lässt. Ansonsten sind fast alle in die internationale Szene geschickt, ob Osten oder Westen. Verständlich die Träume von Dan Flavins Lichtinstallation für Tatlin, die Skulptur von Cy Twombly, ausgefallen die Partitur von Anestis Logothetis, aber alle erfüllbaren Wünsche der Wiener Umgebung sind ausgespart.

Ausstellung

Museum der Wünsche
Mumok alle Ebenen
bis 8. Jänner 2012




URL: http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/kunst/?em_cnt=395321&em_loc=77
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