Albertina Wien

Erst der Maler, dann die Hühner

09. März 2010, 16:42
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    Wortgewaltiger Malerfürst debattiert über seine Ideale und den Unterschied zwischen Malerei, Dekorationskunst und Fotografie: Markus Lüpertz, zu Gast in der Wiener Albertina.


Anlässlich seiner Personale mit vorwiegend älteren Arbeiten auf Papier sprach der deutsche Malerfürst Markus Lüpertz vor Publikum über seine Kunst-Ideale

Wien - Alles lief wie geplant: Markus Lüpertz dominierte das Podium. Akademierektor Stephan Schmidt-Wulffen hielt sich tapfer im Dagegenhalten. Maria Rennhofer erledigte brav ihren Moderatorenjob, brachte das Nötigste ein, ihre Anwesenheit zu rechtfertigen. Und Lüpertz konnte aus seinem Repertoire schöpfen, seinen Handapparat an längst vorbereiteten Statements gewohnt souverän anbringen. Das Publikum applaudierte dankbar.

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Wie das eben so ist bei einer Folkloreveranstaltung: Der Hausherr lobt den fürstlichen Gast, dessen Glanz ihn auch ein wenig mitstrahlen lässt, die Moderatorin beginnt mit dem offensichtlich Unvermeidlichen, der Frage nach dem Bösen im Stahlhelm im Bild.

Und Lüpertz eröffnet routiniert: Maler sei er, Ausführender und also nicht für Inhalte verantwortlich, die bringe der Betrachter ins Bild, sofern es solche Leute heute noch gebe, aber egal, weil das, worauf es ja doch einzig ankomme, die Fähigkeit sei, Malerei lesen zu können. Diese Fähigkeit sei am Aussterben, weil die Fotografie und die Videos und all das, was er auch als Kunst durchgehen lässt, eben hierarchisch weiter unten angesiedelt sind, kleiner als die große Malerei.

Derlei genügt, die staubige Party in Fahrt zu bringen. Schmidt-Wulffen streut darauf hin eine Prise sentimentales 1968er-Glaubensbekenntnis von Verantwortung ein, Lüpertz sagt, es gäbe keine Philosophen mehr. Wer sich heute als Philosoph bezeichne, denke bloß über andere Philosophen nach, nicht aber aufgabengemäß über das Leben. "Am schlimmsten sind die Sozialphilosophen", sagt er und - dramaturgische Pause: "Da lachen ja die Hühner!

Dekorationsunternehmer

Jedenfalls lacht der bürgerliche Anteil des Publikums im gepimpten Musensaal, und die vereinzelten Studenten von heute feilen in der Adorantenversammlung an prospektiven Wutausbrüchen für den Publikumsteil der Veranstaltung. Lüpertz redet über Malerei und wird traditionell missverstanden, was er selbstverständlich weiß, weshalb der Spielball immer am Fürstenfuß kleben bleibt.

Klar waren das große Künstler, sagt er, der Warhol und der Buren und der Serra, aber eben keine Maler. Und klar ist das toll, was ein Jeff Koons macht - diese Luftballons aus Edelstahl, die weitaus hübscher sind als die echten - aber Leute wie Koons seien eben Dekorationsunternehmer, Zulieferer für einen Kunsthandel, der sich selbsttätig nicht mehr umsieht in den Ateliers und Akademien, dem vielmehr zugearbei- tet, maßgefertigte Ware für den Preiskampf zu Füßen gelegt wird.

Und, sagt der Malerfürst, das Recht seine Disziplin, die Malerei, zu verteidigen, hätte er ja wohl. Und noch das größte und erstaunlichste Foto wäre flach: Nur Oberfläche, keine Struktur, nicht zu vergleichen mit Malerei, die das Licht ganz anders fängt, zurückwirft. Fotografie wäre immer nur Wiedergabe, niemals aber Erklärung.

Brauchtum lebt

Was immer wir über Geschichte wissen, hat die Malerei uns eröffnet. Ein Foto, das dann ohnehin gefakt ist (siehe Claudia Schiffer im Original, wäre früher oder später so langweilig wie eine Tapete: "Es hält nicht!" )

Und - natürlich hat Lüpertz damit recht - es ist die Aufgabe des Künstlers als Staatsbürger, soziale Verantwortung zu übernehmen. Wenn dem Bild zur Rechtfertigung seiner selbst soziale Verantwortung, pädagogischer Unsinn, abverlangt wird, dann, genau: "Da lachen ja die Hühner!" Sprach's, bedankte sich für die Aufmerksamkeit und wandte sich dem rituellen Katalog-Signieren zu. Das Brauchtum lebt. Alle sind glücklich.Jetzt kann in den Olymp vorgedrungen, können Markus Lüpertz' malerische Metamorphosen der Weltgeschichte auf Papier begutachtet werden. Ein Stahlhelm ist auch darunter. (Markus Mittringer, DER STANDARD/Printausgabe, 10.03.2010)

Das Lüpertz'sche Feuer im Kamingespräch der Albertina:

  • "Ich war Künstler und wollte nichts damit zu tun haben. Sie haben nichts erreicht, außer dass es mehr Gesetze gibt." (zur 1968er-Bewegung)
  • "Berlin hat es nicht gegeben. Kulturell war Berlin eine Null - und ist es heute noch. Eine subventionierte Brückenkopfgeschichte. [...] Wir dürfen nicht vergessen, dort wo es kein Geld gibt, gibt es keine Kunst." (über Berlin damals und heute)
  • "Die Maler zeigen immer, wie die Welt aussieht. Das ist eine ewige Disziplin. Sie ist wie das Rad. Das können sie gar nicht mehr neu erfinden. Es gibt keinen Ersatz dafür." (über das Wesen der Malerei I)
  • "Ihr könnt es nicht ertragen, dass die Malerei frei ist! [...] Malerei ist nicht dazu da, den Leuten zu erzählen, wie schlecht sie sind." (über das Wesen der Malerei II)
  • "Von Polyklet gibt es kein einziges erhaltenes Werk, und trotzdem gilt er als bedeutendster Künstler der Antike. Überlegen Sie sich einmal: Was ist das für ein Ideal! Was ist das für eine Freiheit! " (über das Wesen der Malerei III)
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5 Postings
Quintus Beckloeffel 
10.03.2010 13:10
"Wer sich heute als Philosoph bezeichne, denke bloß über andere Philosophen nach"

Der Satz ist ungefähr von so viel Sachkenntnis getragen wie der Satz: "Wer sich heute als Maler bezeichnet, portraitiert nur andere Maler".

10.03.2010 12:26

Was das nicht der, der sich lange geweigert hat, als vom Staat bezahlter Professor Frauen zu unterrichten?

Fürwahr ein stolzer Fürst!

10.03.2010 01:10

Gibt es vielleicht einen Audiomitschnitt davon?

10.03.2010 14:54
.
[1]
.
Audiomitschnitt des Künstlergesprächs mit Markus Lüpertz

http://vimeo.com/channels/albertina

Ich bin unschuldig, aber nicht ganz.
09.03.2010 19:01
Leider leider leider versäumt!

;(

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