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Kunstberichte

Das Musée d’Orsay gastiert im Leopold Museum und zeigt eine umfangreiche Impressionisten-Schau

Lichtkitzel auf Regenbogenhaut

Claude Monet: Hotel des Roches Noires (Öl auf Leinwand, 1870). Leopold Museum

Claude Monet: Hotel des Roches Noires (Öl auf Leinwand, 1870). Leopold Museum

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Sie haben die Malerei um ihrer selbst Willen betrieben, wichen von der Tradition der realistischen Salonkunst ab: Das Licht und die Farbe in der Natur, ihre Suggestion von Bewegung wurden mit bewegten Pinselzügen eingefangen. Damals skandalisiert und verlacht, locken die Werke der sogenannten Impressionisten heute Massen in die Museen. Das Plakatsujet – Edgar Degas’ "Tanzstunde" – ist als Lockvogel gut gewählt.

Für die Ausstellung "Impressionisten aus dem Pariser Musée d’Orsay" bekam das Leopold Museum im Austausch für Schiele, Klimt, Kokoschka und Moser eine stattliche Reihe von Hauptwerken.

Allein von Claude Monet sind neben einer der Kirchenfassaden von Rouen und dem in rosa Farbnebel und Sonnenuntergang schemenhaft auftauchenden Londoner Parlament drei weitere Zimelien der Kunstgeschichte vorhanden.

Das gilt auch für Edouard Manets "Pfeifer" oder sein kleines Porträt des Dichters Stéphane Mallarmé.

Zwei Räume weiter begegnet der Betrachter dann Vincent van Gogh mit seiner "L’Arlésienne (Mme Ginoux)". Er malte sie und eine Sternennacht im Jahr 1888 – jenem Katastrophenjahr, das er mit seinem Freund Paul Gauguin teilte, der in Arles "Les Alyscamps" abbildete, bevor er endgültig in die Südsee auswanderte.

Manets Spätwerk

Manets Rückblick auf den sozialkritischen Realismus eines Gustave Caillebotte ("Die Parkettschleifer") oder Jean François Millet ("Angelus", das höchst versicherte Exponat) ist in einem kleinen Fischstillleben von 1864 auffällig. 1881 aber nimmt er dann bereits sein aufgelöstes Spätwerk mit einer abstrahierten "Flucht aus Rochefort" schon vorweg.

Die Gemälde brauchen keine Inszenierung, und so genügt es, dass zwei Skulpturen von Aristide Maillol die Bildreihen unterbrechen. Der Weg ist nicht chronologisch, sondern beginnt mit den Highlights um Monet und Manet, gefolgt von ihren Vorläufern; neben den Realisten sind dies Camille Corot und die Schule von Barbizon. Mit Millet das früheste Werk um 1860 ist ein wunderbar aufgelöster Pferdekampf von Delacroix.

Nach Gaugiun, van Gogh, Cézanne oder Sisley kommt die Nachfolge mit Toulouse-Lautrec, Valloton, Bonnard. Rudolf Leopold hat als Kurator auch auf die Unterbrechung des Wiedererkennungseffekts gesetzt und einige wenige unbekanntere Bilder ausgewählt: So ein pastorales Frühwerk von Cézanne, eine konstruktiv anmutende Hausveranda von Bonnard und eine hinreißende Mondnacht von Vallotton.

Am Ende hält eine Muse in Gustave Moreaus symbolistischem Meilenstein den Kopf des toten Orpheus: Der Dichtersänger geleitet jedoch nicht ins Jenseits, sondern in Richtung Jugendstil.

Freitag, 30. September 2005


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