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Kunstberichte

Schönheiten der Retrorevolution

"Triumph der Schönheit", die Epoche der Salonmalerei von Makart bis Rossetti in der Kunsthalle Krems
Porträt von Mademoiselle de Lancey (1876) von É. A. Carolus-Duran.  Foto: pmvp/pierrain

Porträt von Mademoiselle de Lancey (1876) von É. A. Carolus-Duran. Foto: pmvp/pierrain

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Sie passen wieder in unsere Zeit, auch wenn sie an Wohnzimmerwänden noch undenkbar sind: Bilder des 19. Jahrhunderts, die schön und detailreich gemalt teils kühle, teils schwüle Idyllen provozieren.

"Salonkunst" gab es in Frankreich, der Heimat dieser anfangs alle zwei Jahre stattfindenden Ausstellungspraxis Salon mit dichter Hängung in Reihen übereinander, in Russland, im viktorianischen England. Bei uns zeigt sich Ähnliches im Historismus der Ringstraßenära, man bleibt jedoch "biedermeierlicher" im Geschmack.

Voll verlogene Erotik

Seit etwa zwei Jahrzehnten sieht der Direktor der Kremser Kunsthalle, Tayfun Belgin, die Salonkünstler wieder ins allgemeine Interesse zurückkehren und für Makart oder den Russen Ilja Repin gilt das als bewiesen. Andere "Schinken" wie das Katastrophenbild "Die Sintflut" von Iwan Aiwasowski oder die Venus ohne Schamhaar von Henri Gervex gelten wohl zu Recht immer noch als sentimental, voll verlogener Erotik und damit seicht.
#Der Salon als Treffpunkt

Das Thema Salon als gesellschaftlicher Treffpunkt und Diskussionsplattform für gemachte oder zerstörte Karrieren, für Festlegung eines "bürgerlichen Realismus" in all seinen Facetten, ist ganz sicher ein wichtiger Neuansatz. Natürlich geht es auch um Publikumsinteresse und sollte dabei die Formelhaftigkeit und Einmündung dieser Kunstrichtung in faschistische und kommunistische Regime nicht vergessen werden. Dass ein anderer Ast sich aber im Surrealismus verzweigt und auch die wissenschaftliche Detailtreue dieser Kunst durch Ökonomie und Positivismus ausgelöst wurden, bleibt spannend. Doch wird es wohl noch eine Weile dauern bis der Weg des Reinheitsanspruchs der Avantgarde wirklich gern verlassen wird.

Leider sind die fotografischen Ergänzungen des Fotoateliers Karl Balla in St. Petersburg um 1875 nicht in den Katalog integriert, der sich gegenüber der Üppigkeit der Bilder wieder als sparsame Schmalspurvariante erweist. Doch sind auch das ökonomische Zeichen unserer Zeit.

Bis 30. Juli

Täglich von 10-18 Uhr

http://www.kunsthalle.at/

Schön statt rein.

Mittwoch, 15. März 2006


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