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Wenn Tito zu Besuch kam . . .

27.01.2007 | 00:00 | VON NICOLE SCHEYERER (Die Presse)

Ausstellung. Die Erste Bank zeigt im Belgrader Museum für zeitgenössische Kunst ihre Sammlung, die auf Avantgardekunst aus dem einstigen Ostblock spezialisiert ist.

E
s sind nur wenige internationale Modeketten, die sich bis heute auf Belgrads Einkaufsstraßen niederge lassen haben. Wo Bekleidungsriesen wie H & M noch wohltuend fehlen, leuchten andere Logos umso heller: Raiffeisen, Volksbank, Hypo, Erste Bank - Österreichs Geldinstitute haben den serbischen Finanzmarkt fest im Griff. Um Osteuropas Bankkunden herrscht starke Konkurrenz, da kann gesellschaftliches Engagement als Distinktionsmaßnahme nicht schaden.

Die Erste Bank bemüht sich schon seit geraumer Zeit, ihren ökonomischen Interessen ein freundliches Gesicht zu geben. "Kontakt" nennt sich ein anspruchsvolles Sponsoringprogramm, durch das die Bankengruppe auf Tuchfühlung mit den Kulturszenen in ihren neuen Filialländern geht. Parallel zur Förderung von Projekten sammelt die Erste Bank auch Kunst seit den Sechzigerjahren, die sie nach einer Station im Wiener MUMOK 2006 jetzt in Serbiens Hauptstadt präsentiert.

Vom hoch gelegenen Stadtkern Belgrads heißt es hinab über die Brücke der Save fahren, um das Museum für zeitgenössische Kunst (MSU) zu erreichen. Ruinen der Bombardements von 1999 sind nur noch auf dem herrschaftlichen Boulevard Knez Milosa zu sehen. Das Museum befindet sich abgelegen in einem Park. Seine außergewöhnliche Architektur zieht unmittelbar an: 1963 wurde hier ein spätmodernistisches Juwel errichtet, dessen komplexe Kristallstruktur schöne Ausblicke auf die Belgrader Festung bietet. Das Bauwerk benötigt jedoch dringend Renovierung und seine engagierte Direktorin Branislava Anðelkovic bangt um die erforderlichen Mittel, wenn das Gebäude diesen Sommer zusperrt.

Ohne die Serben zu bevorzugen, zeigt "Kontakt" in Belgrad weniger Arbeiten als bei der Wiener Version. Dafür wirkt die Schau dank der genialen Ausstellungsarchitektur der Künstler Nicole Six und Paul Petritsch viel konzentrierter. Deren Gestaltungsidee antwortet auf das verschachtelte Gebäude, indem sie vier begehbare Boxen als Schauräume im Museum platzierten. Die Besucher gelangen auf engen Korridoren in "White Cubes" mit thematischen Schwerpunkten. Schmutzige Oberlichten und Fußspuren auf dem weiß bemalten Boden verhindern eine zu ehrwürdige Stimmung: Keine Kapellen, sondern eher kleine Stegreifbühnen wurden hier errichtet.

Schon auf der Straße schmuggelte die Erste Bank subversive Kunst von einst unter die Wahlplakate von heute. Eine Fotoserie von Mladen Stilinovic aus den Siebzigerjahren, auf denen er eine knallrote Zunge rausstreckt, mischte sich auf Rolling Boards unter die Politikerkonterfeis. Stilinovics humorvoller Konzeptualismus zählt zu den Höhepunkten der Ausstellung: In seiner vielteiligen Wandinstallation "Red-Pink" entweiht er die heilige Farbe des Kommunismus zu einem profanen Rosa, würfelt privat und offiziell in flüchtigen, aber genau sitzenden Gesten durcheinander.

Ähnlich Sanja Ivekovic, die es sich während eines Tito-Besuchs in Zagreb auf ihrem Balkon mit der Hand zwischen den Beinen bequem machte. Die Fotoserie zeigt die Künstlerin ebenso wie den Polizisten, der ihr laut begleitendem Text schließlich befahl, diese schamlose Aktion zu unterlassen. Milica Tomic befasst sich in dem langatmigen Video "Portrait of my Mother" von 1999 mit den Auswirkungen des Krieges auf Stadt und Psyche, während Tanja Ostojic bei ihrer Performance "I'll Be Your Angel" (2001) als penetrante Schutzpatronin nicht von der Seite des Kurators Harald Szeemann wich.

Die ex-jugoslawischen und serbischen Künstler schlagen sich in der Erste Bank-Kollektion jedenfalls sehr gut. Die Post-Milosevic-Ära beschert Belgrads Kunstszene jedoch eine Krise, wie von mehreren Seiten zu hören war. Es fehle die "Energie des Widerstandes". Zudem schwindet mit dem neoliberalen Kurs, der Kultur nur mehr bedingt für Repräsentation oder ideologische Funktionen braucht, das Verantwortungsgefühl des ohnehin finanzschwachen Staates. Indes sehen die ökonomischen Gewinner keine Verpflichtung, öffentliche Defizite abzufedern.

Es ist der Erste Bank hoch anzurechnen, dass sie dissidente Positionen der untergegangenen kommunistischen Regimes würdigt und konserviert - auch wenn für sie ein absehbarer Wertzuwachs herausschaut. Die offiziellen Vertreter Osteuropas haben ihren Künstler, die sich oft jahrzehntelang um mehr Demokratie bemühten, bisher nur wenig gedankt.

Bis 1. März, Muzej savremene umetnosti (Museum of Contemporary Art Belgrade)

www. msub.org.yu

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