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Kunstberichte

Galerien live

Der Weg allen Bieres

(cai) Es fällt mir jetzt ein bissl schwer, die passenden Worte zu finden. Der Anblick dieser Bilder war einfach zu überwältigend. Oder eigentlich weiß ich bloß nicht so recht, wie ich die Herstellungstechnik halbwegs geschmackvoll nennen soll (ohne gleich wieder ins Bettpfännchen, äh: Fettnäpfchen zu treten). Wie wär’s mit dem unverfänglichen Terminus "Mischtechnik"? (Das steht zumindest immer bei Andy Warhols "Oxidationsmalereien" dabei, die mit genau demselben Verfahren erzeugt worden sind.)

Die Substanz, mit der Gavin Turk arbeitet (und die wie Kamillentee aussieht), sorgt übrigens auch für den typischen "Chlorgeruch" in Hallenbädern, der in Wahrheit erst bei der ungustiösen Reaktion von Chlor mit besagtem "Kamillentee" entsteht. Turks Stilrichtung? Action Pissing. Abreaktionsurinieren. Ekstase in der Blase. Doch auch wenn diese opulenten Gemälde den gewaltigen Harndrang eines begnadeten Biertrinkers zu feiern scheinen (und jeder angeberische Platsch fast was Narzisstisches hat): Turk hat das eh nicht ganz allein vollbracht.

Zuerst hat er Leute in einer Londoner Galerie "abgefüllt", und die haben Bier in "Wasser" verwandelt. Das kam dann irgendwie (mit der Nachttopfausleergeste oder, wie andere meinen, mit der Manneken-Pis-Methode) auf die kupfermetallisch grundierten Leinwände, die mit grünen Flecken reagierten. Das alchemistische Werk war vollbracht: Unedle "Materia prima" ward kitschig schöne Kunst. Ja, die Titel sind nicht grad "seriös": "Mona Piss Painting" etwa. (Wohl von diesem Leonardo da Pipi.) Turks Lehrerin wiederum, Helen Chadwick (1996 gestorben), hat in den Schnee gepinkelt, Abgüsse von den Spuren ihrer Verrichtung gemacht und Blumen geformt. Oh, der kleine Unterschied ist ja gar nicht der zwischen dem Stehen und dem Sitzen. Nein: Männer sind Pinkelberserker, Frauen haben eine romantische Ader, äh: Harnröhre.

Galerie Krinzinger
(Seilerstätte 16)
Piss Off
Bis 5. April
Di. bis Fr. 12 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 16 Uhr

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Lächeln im Akkord

(cai) Die Mona Lisa. Ach, die schon wieder. Die hab ich schön langsam satt. Vor der aktuellen Biometrik-Mode war ihr Porträt immerhin die Vorlage für viele, viele Passfotos. Sie war das Idol von Legionen von Nachahmungslächlern. (Inzwischen müssen wir ja bekanntlich alle dreinschaun wie Arnold Schwarzenegger als Terminator, also wie ein Killer android.) Und Nina Maron, die bereits einige Prominente seriell vervielfältigt hat (Minnie Maus, den rosaroten Panter...), geht jetzt halt mit der Mona Lisa genauso unverfroren um wie der Andy Warhol, der mit seiner Fließbandmentalität einst über sie gesagt hat: "30 sind besser als eine." Maron probiert nun alle möglichen poppigen Farbkombinationen aus. Mit "blutendem" Pinsel. Obwohl: Ihr rabiates Patzen ist eh relativ gesittet (und "hübsch"). Und sie fügt einen zweideutigen Slogan hinzu: "Your smile is our job." (Dein Lächeln ist unser Job.) Damit könnten genauso gut horizontale Gewerbetreibende werben. (Oder ist es vielmehr die Bestimmung des Weibes, das Herrl durch Permanentbravsein zu erquicken?) Na ja, was soll’s.

Galerie Lang
(Seilerstätte 16)
Nina Maron
Bis 4. April
Di. bis Fr. 12 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 16 Uhr

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Stille Bilder sind tief

(cai) Bei den Hunden ist sie sicher ebenfalls sehr beliebt, eine gewisse Platane im Prater. (Aber die Hunde heben ihr Bein und nicht den Pinsel.) Katharina Prantl, die ihr Atelier in der Nähe hat, kann sie jedenfalls auch gut leiden. Und nimmt sie zum Anlass für ziemlich formale, schwungvolle Bilder (mit dekorativem Einschlag), bei denen ein starker Verdacht auf "Natur" besteht. Die Sache mit den Transparenzen und der Vielschichtigkeit kriegt sie besonders adrett hin.

Galerie Frey
(Gluckgasse 3)
Katharina Prantl
Bis 20. März
Mo. bis Fr. 11 bis 19 Uhr
Sa. 10 bis 16 Uhr

Mittwoch, 12. März 2008

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