DiePresse.com | Kultur | Kunst | Artikel DruckenArtikel drucken


Shanghai: Bessere Weltausstellungsstadt?

07.06.2010 | 18:42 | SABINE B. VOGEL (Die Presse)

Wirtschaft statt Kunst: Die 53. Weltausstellung kostet China 60 Mrd. Dollar. Seit dieses Format erstmals als internationaler Marktplatz in London 1851 stattgefunden hat, dient es rein wirtschaftlichen Interessen.

Vorn, in Zone A beim zentralen China-Pavillon, sitzen Hehe und Xiexie vor der futuristischen Architektur des Expo-Boulevards. Zhang Huans Pandabären „Großer Frieden“ und „Große Harmonie“, so die Übersetzungen, sind Teil von „Art for the World – The Expo“. Skulpturen elf chinesischer und neun internationaler Größen wie Dan Graham, Subodh Gupta und Peter Kogler sind die einzige Ausstellung bei der 53.Weltausstellung in Shanghai. Seit dieses Format erstmals als internationaler Marktplatz in London 1851 stattgefunden hat, dient es rein wirtschaftlichen Interessen. Kunst und Kultur haben darin nur Unterhaltungsfunktion. Weltausstellungen sind ein großer Jahrmarkt, der das Erlebnis einer weltgesellschaftlichen Verflechtung vermittelt und getragen ist vom Glauben an eine Allianz von Welthandel und Weltfrieden.

Wie selten zuvor steht diese Ausgabe unter Vollständigkeitsanspruch: Über 200 Länder und Organisationen, von Coca-Cola bis zum World Water Council, präsentieren sich mit eigenem Pavillon oder in einem der vielen Gemeinschaftshäuser. Die verspielten, verschachtelten Fassaden abzulaufen, dauert mindestens einen Tag. Wer noch das Innere erkunden will, etwa um die multimediaintensive, märchenhafte Gründungsgeschichte im Haus der Vereinigten Emirate zu erleben, braucht viel Zeit. Bis zu zwei Stunden warten die Chinesen, um dann binnen 15 Minuten durch die Räume zu hetzen. Angehalten wird nur für ausgewählte Details der Tourismus- und Wirtschaftsgeschichten der Nationen – wozu ein Foto neben den importierten Mitarbeiterinnen gehört.

 

Jeder Pavillon hat seine eigene Kleidung

Jeder Pavillon hat seine eigene Kleidung, in Deutschland eine strenge Rock-Polohemd-Kombination, in Spanien ein kesser brauner Einheitslook mit Hut und in Österreich eine feine Dirndl-Reinterpretation aus Strick mit Blumenmotiv oder Lederhose mit Gilet, von Susanne Bisovsky entworfen. Zuletzt schnell ein Stempel in den Expo-Pass und wieder in die nächste Schlange – so etwa sieht ein Besuch für täglich rund 330.000 Personen aus. Frankreich und der Afrika-Pavillon konnten nach nur 20 Tagen bereits den millionsten Besucher feiern, mit Saudiarabien und Deutschland führen sie die Hitliste an.

Viele Pavillons haben ein Restaurant – der perfekte Ort für etwas nationale Kunst? Hier könnte man ungestört schauen: Essen und Getränke sind so überteuert, dass die Gäste ausbleiben, die Expo-Leitung erwägt eine allgemeine Preissenkung. Zudem verfügt jeder Pavillon über einen VIP-Bereich mit exklusivem Eingang. Diese abgetrennten Räume sind meist bereits ausgebucht: Da werden alle Wirtschaftstreffen um den Wachstumsmarkt China abgehalten, die den immensen Kostenaufwand der Weltausstellung rechtfertigen. Eine Milliarde RMB, rund 116 Mio. Euro, soll der Saudiarabien-Pavillon gekostet haben – was wohl die enorme Neugierde aller dort Wartenden erklärt. 60 Mrd. Dollar hat China direkt und direkt für die Expo ausgegeben, so für die Verdoppelung des bestehenden U-Bahn-Netzes, Tunnel- und Straßenbauten. Milliarden von bunten Blumen an Häusern, Laternen, Brücken, Plätzen und Mauern, blaue Leuchtstoffröhren unter den zentralen Hochstraßen der Stadt, Hunderte von Lichterketten in den Bäumen – „Better City, Better Life“, so das Motto dieser 53.Weltausstellung, an allen Fronten.

 

Zeitgenössische Kunst nur von Österreich

Hier und da findet sich ein wenig Kunst, bei Frankreich etwa Meisterwerke der klassischen Moderne. Aber nirgends Zeitgenössisches – außer im kleinen, feinen Österreich-Pavillon. Expo-Vize-Kommissärin Birgit Muhr hat eine Lösung für den Kunstnotstand gefunden: Nicht im oder vor dem Pavillon, nicht im VIP-Bereich oder Restaurant – am VIP-Eingang hängt der „Displacer“ des österreichischen Medienkünstlers Friedrich Biedermann. Der Exstudent von Brigitte Kowanz benutzt Glasfaserkabeln, die an der Decke ein surrealistisches Knäuel bilden und aus offenen Enden Bilder projizieren: das „Kleinhirn des Pavillons“. Aus dem interaktiven Bildermeer im öffentlichen Pavillon rund um die Themen Berge, Wald, Wasser und Stadt wählte Biedermann zentrale Motive aus, lässt sie auf Decke, Wände und Winkel des Eingangsraums fließen – und zur Ruhe kommen. Zwar sind die Bedingungen nicht optimal – zu viel Licht fällt durch die Tür –, doch wird jeder auf Einlass Wartende mit künstlerischen Mitteln perfekt auf die außergewöhnliche Welt der Weltausstellung eingestimmt: auf die Vermischung von Räumen in pulsierenden Bildwelten.


© DiePresse.com