Quer durch Galerien
So ambitioniert wie Manneken-Pis
Von Claudia Aigner
Autodeterminator - hm. Ist das das, wenn Arnold
Schwarzenegger Auto fährt? Moment: De-Terminator, nicht Terminator. Also
ist das vielleicht bloß ein anderes Wort für "Autofahrer"? Weil die
Autofahrer ja ihr Auto "determinieren", ihm nämlich das Freistilfahren und
die willkürliche (zum Beispiel vom Gaspedal und vom Tank getroffene) Wahl
des Reiseziels abgewöhnen? Eher nicht. Ein Autodidakt ist ja auch kein
Fahrlehrer, sprich so einer, der einem Automobil erzieherisch, also ganz
didaktisch, die Straßenverkehrsordnung beibringt und es in der Kunst
unterweist, rückwärts im Hundeklo einzuparken (das zwar eigentlich überall
ist, das Hundeklo, weil Wien flächendeckend eine Hundezone ist, doch
zwischen den parkenden Autos neben dem Gehsteig "trümmerln" die Hunde ja
schon im Akkord - wohl dem Schuster, dessen Kunden nie eine Straße
überqueren!). Und eine Massenkarambolage, ein Blechsalat mitten im
Straßenverkehr, ist kein Symptom der Autoaggression, der Angriffslust der
Autos, bzw. bedeutet Autoaggression nicht den Zorn auf die Fahrtüchtigkeit
oder die Fortbewegungsmittel der andern. Folglich ist ein Autodeterminator
vielmehr jemand, der masochistisch hündisch auf dem Boden herumkriecht und
gleichzeitig seine eigene Domina ist. Jemand, der sich willensstark selbst
an die Hundeleine nimmt. Ein Masochist also, der sein
Selbstbestimmungsrecht einfordert. Ein Verhaltensgestörter? Ein herrischer
Sklave? Gerhard Gepp (bis 10. Juli in der Galerie Wolfrum,
Augustinerstraße 10), der uns den Autodeterminator geschenkt hat, fühlt in
seinen satirischen Zeichnungen und Malereien jedenfalls der Sprache und
der Begriffswelt in seiner bewährten Manier dentistisch bohrend auf den
Zahn.
Galerie Wolfrum: Die Logorrhö des
Götzorgans
Ja, es gibt eine Sprechkultur des Gesäßes. Es mag ja
keine Plaudertasche sein, das Götzorgan (höchstens bei ballaststoffreichen
und bohnenreichen Personen, die also quasi die Sprache der Bohnen
sprechen), und es mag auch nicht Karaoke singen können, nicht einmal das
Hinterteil von Vegetariern kann das, auf seine ganz spezielle Weise ist es
aber durchaus kommunikativ, bringt es doch immerhin sogenannte Plosive
(Explosivlaute) zuwege, wenn nicht sogar eine Affrikate ("Pf"). Denn der
Darm ist ein Blähinstrument wie der Dudelsack oder die Schallblase der
Frösche. Wir wissen, dass es eine Diarrhö des Mundes gibt, den
Sprechdurchfall (auf g'scheit: die Logorrhö, wo einem das Sprechorgan
übergeht), aber existiert auch eine Logorrhö, nämlich Geschwätzigkeit, des
Sitzfleisches? Gepps Opus "Sprachverlust" meint eindeutig "ja". Während
zwischen den Schultern statt einem Hirnkastl ein Fernsehkastl oder ein
Computerbildschirm sitzt (an beide delegieren der moderne Patschencineast
und der blechvertrottelte Joystickwürger bekanntlich das Reden und
Denken), ist der menschliche Hinterleib, dem Goethes Götz ein so
unvergesslich klassisches sprachliches Denkmal gesetzt hat, zum Hort des
Denkens und der Entscheidungen mutiert: zum Hirn (mit tatsächlichen
Hirnwindungen, aus denen die Buchstaben purzeln). Der Weg von einer in
zwei Backen gespaltenen "Persönlichkeit" zu einer rechten und linken
Gehirnhälfte ist wahrlich nicht weit. Das hat die Evolution also mit
uns vor. Das Sprachzentrum will sie uns so weit nach unten versetzen, bis
sich nur noch der Hintern mitteilt, der die Sprache abführt. Als heiße
Luft. Trotzdem ist die Phrase, sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen,
bislang noch kein Euphemismus für schlechte Hinternputzmoral. Am
besten ist der Gepp, der in einer komplett geworteten Welt lebt (wie wir
alle) und der alles wörtlich nimmt (und manchmal naiv ist wie ein
Taferlklassler), wenn er nicht nur platt illustriert (wie die
"Hosenträger" oder die "Ent-Wicklung") und dem Betrachter ein "Aha"
entlockt, sondern wenn er mit originellen Wortdeutungen überrascht und
mindestens ein kurzes Auflachen provoziert. (Leider wird das Vergnügen
vielfach vom viel zu oft banal-primitiven Zeichenstil getrübt.)
"Psychotherapie": eine subkutane Leibesvisitation, die dem Visitierten
unter den Skalp geht. Der Therapeut hat sozusagen einen
Durchsuchungsbefehl für den Kopf des Patienten, durchwühlt den Schädel,
macht ein handgreifliches, manuelles "EEG". Hausfriedensbruch im
Oberstübchen. Oder "Übertretung" (auch zeichnerisch eine seiner
gelungensten Bereicherungen des Weltverständnisses): Ein Schatten fällt
durch einen Maschendrahtzaun auf ein Sperrgebiet und wird vom Auge des
Gesetzes abmahnend beäugt. Unbefugtes Betreten eben. Wenn ein Mann seinen
Schatten auf eine Frau wirft, ist das dann sexuelle Belästigung? Ist ein
Schatten deliktsfähig? Von irritierend genialem Bildwitz: "Monumente!"
Ein steinerner Männertorso auf einem Sockel hat so ziemlich das Einzige,
was ihm an Fortsätzen (Kopf, Arme etc.) und Extremitäten noch geblieben
ist, genutzt (konkret: die "Pinkelextremität") und hat ein gigantisches
Lackerl auf dem Boden gemacht. Ambitioniert wie Manneken-Pis. Also ich hab
gelacht. Galerie Gerersdorfer: "Oba die hot jo kan Kopf!" Es ist
ein bissl so wie mit der Gans und dem künstlichen, also hochstaplerischen
Ei, dem sie auf den Leim geht und das sie in einem Mutterliebereflex ins
Nest "heimholt", weil's gar so unwiderstehlich groß ist, das Ei, und ergo
mehr Mütterlichkeit verdient als seine mickrigen Ei-Brüder und
-Schwestern. Gut, das Ei ist schon übertrieben gegenständlich und eiig und
die Bilder von Johann Julian Taupe sind keine solchen supranormalen Reize,
keine "supranormalen Eier". Aber sie tun einerseits so abstrakt, so als
ginge sie die Welt außerhalb der Leinwand und außerhalb der aufdringlichen
Buntheit und der subjektiven Parzellierungen, der Farbparzellen, nichts an
und ködern uns gleichzeitig quasi mit dem Gänse-Ei (mit der Andeutung von
irgendwelchen Landschaften und dergleichen). Deshalb können wir nicht
anders, als die Bilder sogleich in unser Nestl (unsre Welt der bewährten
Gegenstände) hereinzuschleppen. Denn es ist der Betrachter, der diese
verhalten dynamischen, geordneten Bildwelten ausbrütet (selbstverständlich
ohne sich draufzusetzen). Ein potenzieller Käufer, der wohl zu viel
gebrütet hatte, schreckte dann gar vor seiner Brut zurück: "Oba die hot jo
kan Kopf!" Und er beging Nestflucht. Aber wozu braucht ein Vorhang (und
das ist eindeutig einer) einen Kopf? Dass sie unser Brutpflegeverhalten
aktivieren, ist vielleicht das größte Verdienst dieser Malereien. Galerie
Gerersdorfer (Währinger Straße 12), bis 10. Juli.
Galerie
Hrobsky: Zank und Stahl gesellt sich gern
Da Lob und
Wohlgefallen manchmal auch ohne Logorrhö (siehe oben) auskommen, zu Jörg
Bach nur so viel: Seine Klümpchen und Knäuel und Ballungen aus Drei- oder
Vierkantstahlrohren, mehr oder weniger komplex verschachtelt und
verschlungen, lackiert oder reizvoll gerostet, sind einfach gut gemacht.
"Grobschlächtigkeit" mit formalen Finessen. Die "Zankäpfel": geballte
Objekte, die mitunter sich selbst zänkisch angehen, mit ihren eigenen
Ecken und Kanten und Enden. Bis 6. Juli bei Ulrike Hrobsky (Grünangergasse
6).
Erschienen am: 02.07.2004 |
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