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Die Ästhetik des Bumm

Aufzählung (cai) Personen, die den Nervenkitzel suchen, basteln sich vielleicht aus einem Druckkochtopf sowie Wasser und Nudeln einen "Spaghettoblaster" (einen Urknallsimulator, wo sich dann irgendwann die Materie blitzartig im Raum ausbreitet – oder auch nicht). Oder sie stopfen diverse brisante Gegenstände in den Mikrowellenherd (zum Beispiel statt einem Hendl ein Handy) und lassen sich überraschen.

Roman Signer freilich (ich nenne ihn ehrfürchtig "Detonator": die Zündkapsel) überlässt nix dem Zufall. Zumindest nicht den Zeitpunkt der Explosion. Er sprengt prinzipiell kontrolliert. Beim Janda fühlt man sich gleich ein bissl unwohl. Denn der Detonator richtet ja, nein, eh keinen Mikrowellenherd, doch eine fette Kanone auf den Eintretenden. Mit einem Fußball als Geschoss. Das muss diese "Angst des Tormanns vor dem Elfmeter" sein, was man da im Gedärm spürt. Diesmal ist’s ein Bluff. Das Schwarzpulver hat Signer ausnahmsweise weggelassen.

Im Untergeschoß kostet er dann die Ästhetik des Bumm voll aus. Wahre Farb-Orgasmen in Blau sind das. Drei Farbdosen hat er in die Luft gejagt. Kalkulation und Explosion, buchhalterische Berechnung und Orgie turteln hier so kokett miteinander, dass man andächtig vorm Ergebnis steht. (Okay, ich behaupte nicht, das wär’ jetzt die Sixtinische Kapelle des Actionpainting.) An seinen Titeln könnte er aber noch etwas arbeiten. "Drei Explosionen" klingt recht lapidar für ein "blaues Wunder". (Nein, das spritzige Opus ist keine Hommage an eine gewisse Tablette.) Apropos "in die Luft fliegen": Beim Es-werde-Chaos-Film, wo 56 wie Soldaten aufgereihte Modellhubschrauber abheben, um wie die Fliegen wild durcheinanderzusummen, kriegt man direkt Gänsehaut. Übrigens sollten Sie es sich doch verkneifen, Ihr Handy in die Mikrowelle zu legen. Das ergibt nämlich eine Bombe.

Galerie Martin Janda
(Eschenbachgasse 11)
Roman Signer
Bis 17. Jänner
Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr Sa.: 11 – 15 Uhr

Die Fettigkeit des Seins

Aufzählung (cai)Es hat wohl am Regenwetter gelegen. Jedenfalls hab ich beim Betreten der Galerie Meyer Kainer einen kleinen Farbschock erlitten. Wie die Dorothy aus dem grauen Kansas nach der Landung im Zauberland Oz. Rachel Harrisons deftige Assemblagen sind ja in Buntheit ertränkt worden, im Farbgatsch. Restlverwertung (ein alter Rasenmäher, Kübel, ein Kitschschneemann ...) kombiniert mit brachialer Bastelwut und viel Spachtelmasse. Der Humor ist ziemlich schwarz, aber der Witz ist bunt. Einmal ist die Pointe ein nackertes Gummihendl, das auf einer gestisch beschmierten Kiste herumliegt wie die Kirsche auf dem Punschkrapferl. Ein zynischer Kommentar zu unsrer Esskultur? Die unverträgliche Fettigkeit des Seins (und die unerträgliche Einsamkeit des Huhns)? Diese schlampigen Objekte mögen ja eine gewisse Faszination ausüben, und womöglich sind sie gar eine prägnante Analyse der dekadenten Konsumgesellschaft. Das imponiert mir aber trotzdem nicht.

Galerie Meyer Kainer
(Eschenbachgasse 9)
Rachel Harrison
Bis 13. Jänner
Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr Sa.: 11 – 15 Uhr

Kimono sucht Geisha

Aufzählung (cai) Der Film heißt "OA 1979-3-5-036". (Blockbuster wird das keiner, mit dem Titel.) Das ist die Inventarnummer jenes Buches im British Museum, das Florian Pumhösl hier verfilmt hat. Ein japanischer "Klassiker". Nein, nix mit Samurais und Geishas. (Na ja, höchstens was die Geishas angehabt haben.) Uralte Stoffmuster. Mit hypnotischer Beschaulichkeit ziehen sie stark reduziert vorüber. Beruhigt sehr. Aufregend sind dagegen die heiklen Wandobjekte: Glasscherben (Schnittmuster für Kimonos) balancieren auf Holzleisten. Historische Exotik und moderner Minimalismus vereinen sich in filigraner Schönheit.

Krobath & Wimmer
(Nibelungengasse 11/13)
Florian Pumhösl
Bis Ende Februar
Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr Sa.: 11 – 15 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 07. Jänner 2009

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