Im Jenseits flattern sie noch
Von Claudia Aigner
Hätten es die Bauern womöglich die ganze Zeit viel einfacher
haben können? Hätten sie im Frühling bloß zwei Kartoffeln allein lassen
müssen und könnten im Herbst dann deren Kinder ernten? Eigentlich nicht.
Denn die zwei verliebten Kartoffeln, die Walter Schmögner in flagranti
dabei erwischt hat, wie sie sich sehr "geschlechtsreif" benehmen (aber mit
mäßigem Erfolg, also nicht sonderlich ertragssteigernd), überschätzen
eindeutig ihre Anatomie. Die sympathisch boshaften Bizarrerien von
Walter Schmögner (bis 26. Mai in der Galerie Contact, Singerstraße 17)
sind zweifellos eine Bereicherung für die Kunstgeschichte. Der posthume
(flugtaugliche) Mensch: ein stricherldünnes Engerl mit Insektenflügeln an
den verschiedensten Körperstellen. Bei so manchem Jenseitsmännchen sind
also Libellenflügel so wirkungsvoll wie bei diesseitigen Männern Viagra.
Fast durchwegs haben die Seelchen keine Füße, aber Füße haben diese
flatternden Existenzen, die vielleicht eh nie wieder Bodenkontakt haben
werden, ja ohnedies keine mehr nötig. Und man kann sagen: Schmögners Lust
am Erfinden wandelt sich beim Betrachter, den es immer wieder ganz
plötzlich im Zwerchfell reißt, restlos in Schaulust um. Einen
Eindringling muss man ja längst nicht mehr eigenhändig erschießen, es
reicht, ihn zu fotografieren und den Beweis seiner Anwesenheit der Polizei
zu übergeben (oder so ähnlich). Ich bezweifle aber, dass genau das damit
ausgedrückt werden soll, wenn Ernst Jandl bei sich daheim mit dem
Blitzlicht auf die Fotografin Cora Pongracz losgeht. Pongracz (bis
24. Mai in der Steinek-Halle, Pramergasse Nr. 6) wird zurecht für ihre
seriellen Porträts geschätzt. Einprägsam: ihre allumfassende
"Jandl-Beschau" (von allen Seiten). Hier ist auch der Fotografierte (aus
Notwehr?) mit einem Fotoapparat "bewaffnet" und drückt in alle
Himmelsrichtungen ab. Und in dem einen packenden Moment, wo das Motiv (der
Jandl) zurückschießt (in einer High-Noon-Situation), löscht quasi das
Motiv die Fotografin aus und beide sind beides. Herrlich: die
pantomimische Doppelconference von Arnulf Rainer und Dieter Roth (eine Art
Rainer-Roth-Folklore mit sonderbaren Ritualen). Zwei Touristen
spazieren mit einem leeren Bilderrahmen durch Wien, und weil sie sich
nicht wie mit einer Keksform "ein Stück Wien" ausstechen können, lassen
sie sich eben mit ihrem jeweiligen "Wienbild" fotografieren. Das Duo
subREAL (bis 2. Juni in der Fotogalerie, Währinger Straße 59) treibt ein
spannend verstörendes Spiel mit dem Verhältnis vom Bild zum Rahmen und zur
Welt außerhalb des Rahmens. Und, wenn man so will, ist man hier Zeuge vom
ironischen letzten Triumph der Metapher vom Bild als Fenster. (Ein
akrobatisch veranlagter Bildbetrachter könnte ja durch den Rahmen hindurch
ins "Bild" hineinköpfeln.) Und Michael Janiszewski bastelt aus den
Zutaten "Mann (oder Puppe), Frauenperücke, Stöckelschuhe" und aus
katholischen Requisiten provokante, gequälte Fotowelten. (Der Mensch
zwischen Fleisch und Askese und zwischen den Geschlechtern.)
Inszenatorisch interessant, fototechnisch aber nur selten befriedigend.
Erschienen am: 18.05.2001 |
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