Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte

Galerien

Nie wieder verstopft!

Aufzählung (cai) Wie die Sache mit der Fortpflanzung funktioniert, muss ich Ihnen ja eh nicht erklären. Die Babys bringt der Storch und die Kaninchen werden von einem sehr, sehr fleißigen Zauberer aus einem Hut gezogen. Aber wie kommt bloß das viele Plastik auf die Welt? Tja, es schlüpft aus den Überraschungs-Eiern. Diese unschuldigen Plastik-Kreaturen bevölkern nun schon seit Jahren die Genreszenen vom Sebastian Weissenbacher. Um seine Kunst zu verstehen, reicht also dieselbe naive Logik aus, die man benötigt, um bei einer Kuh eine Verstopfung zu diagnostizieren. Doch man braucht selbstverständlich keine zwei Leute für den Job wie beim Rindvieh, wo ja einer beim Maul reinschauen muss, der andre beim hinteren Ende und dann der Vordere fragt: "Sigst mi?", und wenn der Hintere antwortet: "Na!", ist die Kuh total verstopft.

Schmarrn. Die Bilder tun nur so harmlos. In Wahrheit sind sie wie dieser Witz: Was ist das? Es hängt an der Wand, ist pink und jodelt. – Keine Ahnung, was? – Eine Forelle. – Aber die hängt doch nicht an der Wand. – Kannst sie ja hinpicken. – Und pink ist sie auch nicht. – Streichst sie eben an. – Und seit wann tut sie jodeln? – Pf, dann jodelt sie halt nicht . Und Weissenbachers so schön bös banale Bilder haben genau den gleichen bizarren Humor. Vor ein Unwetter, das ausschaut wie eine tiefe Depression, malt er ein gelbes Krokodil hin und nennt das Ganze: "Das Drama um Helmut Lotti." (Hm. Was hängt an der Wand, ist gelb und hat vermutlich das Toupet von Helmut Lotti gefressen?) Und sein Opus "Verstopfung natürlich lösen", wo ein Affe obergscheit vor einem Lamm herumfuchtelt, legt nahe, er hätte endlich "das" Mittel gegen Obstipation entdeckt: Schäfchenzählen. Ähm, das hilft doch nie . Na ja, hilft’s halt nicht . Er selber dürfte trotzdem tüchtig Schäfchen gezählt oder was auch immer angestellt haben. Jedenfalls ist seine Malerei jetzt viel flüssiger und entspannter als früher.

Hilger Modern
Dorotheergasse 5, 1010 Wien
Sebastian Weissenbacher, bis 10. Juli
Di. – Fr.: 10 – 18 Uhr, Sa.: 10 – 16 Uhr

Blinde Kuh spielt Boccia

Aufzählung (cai) Nein, Klaus Schuster kritzelt keine Bärte auf Plakate. Sein Vandalismus ist ein bissl origineller. Er reißt Seiten aus Bildbänden raus und verbessert sie. Seine Sabotageakte sind witzig, surreal (Boccia-Spielern stülpt er einfach Sackerln über den Kopf), deftig (wenn er einem Wrestler Schusswunden verpasst) und manchmal pubertär. Mit der Ölkreide geht er dabei äußerst sensibel und versiert um. (Leider montiert er die intimen Arbeiten auf sehr penetrante Muster.) Hm. Wenn er so gut mit seinem Werkzeug hantiert, warum muss er dann fremde Bilder überarbeiten und macht nicht gleich alles selber? Okay, genauso gut könnte man mir vorwerfen, dass ich einzig und allein davon lebe, andere zu kritisieren. Wer völlig talentlos ist, doch gleichzeitig einen Gottkomplex hat, wird halt nun einmal Kunstkritikerin. (Oder Deutschlehrerin.)

Galerie Strickner
Fillgradergasse 2/7, 1060 Wien
Klaus Schuster, bis 2. Juli
Di. – Fr.: 19 – 19 Uhr, Sa.: 11 – 13 Uhr

Ein Schnackerl für Alice

Aufzählung (cai) Bisher war ich der Meinung, Franz Blaas wäre ein bescheidener Zeichner. Das glaub’ ich natürlich immer noch. Doch inzwischen bin ich mir ziemlich sicher: Sein Strich ist nicht unbeholfen . Er ist lieblos. Wenigstens darf man an diesen Pastellen die Farben mögen. Gut, mit ihrem Optimismus verstärken sie die harmlose Nostalgie der eleganten Damen noch. Und von der Heiligen mit den goldenen Stricknadeln kriegt meine innere Alice Schwarzer Schnackerlstoßen.

Galerie Gerersdorfer
Währinger Straße 12, 1090 Wien
Franz Blaas: "Belle Epoque", bis 10. Juli
Do., Fr., Sa.: 11 – 20 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 30. Juni 2010
Online seit: Dienstag, 29. Juni 2010 16:29:00

Liebe Leser,
wegen einer technischen Umstellung ist das Senden eines Kommentars vorübergehend nicht möglich.

Ihr
Wiener Zeitung Online Team


Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at