Salzburger Nachrichten am 23. November 2002 - Bereich: kultur
Zufrieden im "herbst"

Die Veranstalter des "steirischen herbstes" zogen eine zufriedene Zwischenbilanz und versprachen Spannendes für die Zukunft.

GRAZ (SN-m.b.).

Zwei Tage vor dem offiziellen Ende des diesjährigen "steirischen herbstes" zogen am Freitag die Programm-Verantwortlichen eine positive Bilanz, die nur eine Zwischenbilanz sein kann, da etliche Ausstellungen länger zu sehen sein werden und das Musik-Theater "Begehren" von Beat Furrer erst im kommenden Jänner zur Aufführung kommen wird.

Die Architektur als Zugpferd

Bei der Publikumsfrequenz liege man mit knapp 110.000 Besuchern der 218 Einzelveranstaltungen auf einem "Rekordkurs", betonte "herbst"-Intendant Peter Oswald, allein die von Zaha Hadid konzipierte Architektur-Schau "Latente Utopien" habe bereits 10.000 Besucher angelockt. "herbst"-Präsident Kurt Jungwirth unterstrich, dass andere Veranstaltungen nicht über die Quote zu beurteilen seien: "Der ,herbst' ist auch ein Minderheiten-Programm".

Chefdramaturg Wolfgang Reiter sprach von einem enormen Publikumsinteresse für die "Prinzessinnendramen" von Elfriede Jelinek, der von den Kritikern hochgelobte dritte Teil (Regie: Ruedi Häusermann) wird übrigens demnächst am Schauspiel Hannover zu sehen sein.

Zur abermals negativen Rezeption von Josef Winklers "Tintentod" merkte Reiter an, dass man mit der vorschnell im Programmbuch abgedruckten Bezeichnung "Neufassung der Uraufführung" möglicherweise falsche Erwartungen geschürt habe. Vorgebrachte Kritik, wonach der szenische Bereich im heurigen Programm unterreprä-sentiert sei, ließ Reiter nicht gelten: "Vier Projekte sind gar nicht so wenig."

Auffällig war heuer die Zunahme an Koproduktionen - unter anderem gibt es eine Zusammenarbeit mit dem Wiener Volkstheater, den Schwetzinger Festspielen, der Oper Frankfurt oder der Ruhr-Triennale - sowie eine Abkehr vom lange im "herbst" praktizierten Prinzip der Uraufführung.

Radikales Musiktheater in der Zukunft

Ihm sei es egal, ob ein Jelinek-Stück vier Tage vorher in Hamburg uraufgeführt worden sei, weil er wisse, dass keiner, der hier in Graz lebe, die Uraufführungsproduktion gesehen habe, erklärte Peter Oswald kürzlich in einem Interview mit der Grazer Stadtzeitung "80".

Für das kommende Jahr kündigte Oswald an, den Weg der "Reflexionsbildung über neue Kunst" fortsetzen zu wollen, auf dem Programm stünde "kompromissloses, radikales Musiktheater".Nach "Begehren" in der Regie und Choreographie von Reinhild Hoffmann werde im Oktober 2003 in der neuen Helmut-List-Halle Bernhard Langs "Theater der Wiederholungen" aufgeführt.

Aussicht auf eine moderne Musikhalle

"Ein visionärer Ausblick in die Zukunft des Musiktheaters", sagt Oswald und verweist auf das von Olga Neuwirth und Elfriede Jelinek (Libretto) gestaltete "Finale" im November kommenden Jahres: "Lost Highway" nach dem gleichnamigen Drehbuch von David Lynch und Barry Gifford.

Alle drei Musik-Theater-Produktionen werden in der von Architekt Markus Pernthaler geplanten "Helmut-List-Halle" über die Bühne gehen. Das im Dialog mit der Grazer Motorentwicklungsfirma AVL-List AG errichtete Haus soll eine der modernsten Konzerthallen Europas werden.