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Kunstberichte

Kunsthalle Wien konfrontiert Edward Hopper mit zeitgenössischer Kunst

Anonym im Schattenreich

Mehr Bühne als realer Raum: Hoppers

Mehr Bühne als realer Raum: Hoppers "Western Motel" (1957). Foto: Yale University Art Gallery

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Dass Edward Hoppers Gemälde als Leihgaben nach Europa kommen, ist als ob die "Mona Lisa" den Louvre verlassen würde. Doch Gerald Matts Konzept für die Schau "Western Motel. Edward Hopper und die zeitgenössische Kunst", die den nach wie vor anregenden Maler (1882 - 1967) mit heutigen Positionen konfrontiert, überzeugte die Besitzer von acht Gemälden.

Im Bild "Western Motel" ist die Perspektive nur scheinbar zentral. Hoppe baut uns weniger einen konkreten Raum vor Augen als eine Bühne, ein Modell oder Konstrukt. Die sitzende Frau ist eine anonym Reisende, die Landschaft vor dem Fenster bis auf Auto und Straße vollkommen abstrakt. Licht- und Schattenspiel stiften Verwirrung in der scheinbar banalen Alltagssituation.

Großstadtgefühl und Einsamkeit

Doch auch "High Noon" und Grafiken des Künstlers zeigen starke Bezüge zu Zeichnern wie Dawn Clemente und Regisseuren wie Jim Jarmusch und Wim Wenders. Andere Gegenwartskünstler, etwa Jeff Wall, Rachel Whiteread, Edward Ruscha oder Tim Eitel wollten wie Hopper nicht nur die Einsamkeit des Amerikaners an bestimmten Orten zeigen: Es ging ihnen um eine Verallgemeinerung des Gefühls Großstadt, meist übertragen auf Film und Fotografie.

Nach der Absage an übliche Erzählungen im Sinne von Caspar David Friedrich übernimmt in Hoppers Welt die Reduktion von Licht die Regie auf der Bühne des Lebens. Dunkelheit ist der Faktor, der Dramatik, Rätselhaftigkeit und den psychologischen Blick ins Innere des Menschen in die Kunst bringt. Innere und äußere Nacht machen aus scheinbar nichts sagenden Korridoren und Hotelzimmern Stätten des Grauens oder existentieller Reflexionen. Für den Filmemacher David Claerbout ist das Licht ordnender Faktor, für Whiteread ist schon die Leere der Räume ein Thema. Die Konzentration auf Fenster und Mauern in Hoppers Bildern faszinierte sogar abstrakte Maler wie Mark Rothko.

Heute bauen Künstler die Räume in Modellen nach. Am engsten zu "Western Motel" steht da Gustav Deutsch, aber auch Thomas Demand integriert Poesie und Magie des Nächtlichen in den Nachbau eines Fensters, den er zum monumentalen Foto verwandelt. Sie alle schaffen "Schatten-Stücke" als Abbilder der Welt und der Reflexion alles Künstlerischen. Clearbouts Filmstills aus "Shadow Piece" (2005) sind neben Jonas Dahlbergs Möbelschatten nicht weniger beklemmend, als Markus Schinwalds Inszenieren von Marionetten.

Der Raum wird Vision, die Nacht macht aus der Fabrik einen Palast, aus der nackten Frau eine alte Göttin, Inszenierung ersetzt die Realität. Thomas Machos kleine Kunstgeschichte des Fensters und der Mauer im Katalog holt bis zu den Mauern von Jericho aus.

Aufzählung Ausstellung

Western Motel

Edward Hopper und die Zeitgenössische Kunst Gerald Matt (Kurator) Kunsthalle Bis 15. Februar 2009

Donnerstag, 02. Oktober 2008

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