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22.01.2003 - Ausstellung
Die Fälschung als Strategie: Polkes poppige Wunderwelt
Erstmals seit 28 Jahren ist Sigmar Polkes Zyklus "Original und Fälschung" wieder komplett zu sehen - im Salzburger Rupertinum.
VON ALMUTH SPIEGLER


Zauberhaft wild muß es damals zugegangen sein, 1973, im Raum des Westfälischen Kunstvereins in Münster: Farbiges Neonlicht, Dutzende kreisrunde Spiegel in Augenhöhe, großformatige Leinwände zum Aufblicken darüber, verwirrende Collagen in Kniehöhe. "Original und Fälschung" war die erste Ausstellung des damals 32jährigen Sigmar Polke in einer öffentlichen Kunst-Institution.

In allen erdenklichen Stilen - skizzenhaft, altmeisterlich, ornamental, die Pop-Art zitierend - trieb Polke sein Spiel mit der Aura des Originals, seiner Verfielfältigung wie auch Interpretation und Inspiration. Ergänzend zu seinen großformatigen ironischen Mal-Ergüssen wie einem Porträt in Glitter-Farben nach Antonello da Messina oder Rubens, stellte Polke je eine Collage, ein "Kommentarbild", aus Zeitungsausschnitten, wissenschaftlichen Photos, Sujets aus der Werbung. Irritierend banal wirkt meist der oberflächliche Zusammenhang zur Malerei durch Formzitate, Farben oder Inhalte. Die Verwirrung war perfekt, die showmäßige inszenierte Präsentation tat ihr übriges.

Ein würdig anarchischer Einstieg in den musealen Rahmen, aus dem der in Schlesien geborene Künstler heute nicht mehr ausbrechen kann. So felsenfest erdet ihn hier sein Marktwert: Bereits das vierte Jahr hält sich der deutsche Maler-Star an der Spitze der "Capital"-Rangliste der Gegenwartskünstler.

Eine wahrhaft goldene Nase bewies also der Sammler Hans Grothe dereinst in Münster, als er in einem Rausch der Begeisterung gleich die gesamte aufsehenerregende Polke-Präsentation vom Fleck weg kaufte und so den Grundstock für seine heute zu den bedeutendsten zählende Sammlung deutscher Kunst nach 1960 legte. Nur ein einziges Mal war der Zyklus in seiner Gesamtheit aus 38 Gemälden und fast eben so vielen Collagen danach ausgestellt; 1974 im Kunstmuseum Bonn.

Das Rupertinum in Salzburg schließt jetzt diese schon beinahe kunsthistorisch zu nennende Lücke - fast zu unspektakulär, leider. In nur einen Stock, bestehend aus zwei Räumen, wurden die kostbaren Leihgaben zusammengepfercht. Die Kommentarbilder wechseln sich mit den 150x125cm großen Leinwänden ab, alles brav beschriftet.

Keine Spur mehr vom schrägen Pop-Glamour, an den sich der damalige Leiter des Westfälischen Kunstvereins, Klaus Honnef, im Katalog erinnert. Hier sind die Abbildungen der Paare wenn möglich auch in der ursprünglichen Hierarchie untereinander gesetzt. Die einst zwischen den Bildern auf Augenhöhe angebrachten Spiegel scheinen über die Jahre verlorengegangen zu sein, die farbige Beleuchtung allein hätte ziemlich sicher peinlich gewirkt.

Nur im Bild Nummer 15, die Musikband und die "Rockets" von New York, zwinkern schelmisch kreisrunde Spiegelelemente. Denn paßt nicht gerade diese spröde Musealisierung von Relikten einer provokanten Aktion - eben eine Verfälschung - wieder hervorragend in Polkes Konzept?

Bis 6. April. Täglich 10 bis 18 Uhr, Mi. 10 bis 21 Uhr.



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