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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
14. Oktober 2005
20:59 MESZ
Von Anne Katrin Feßler

Mumok
Bis 27.11. 
Foto: MUMOK/Lisa Rastl/Courtesy Sammlung Johann Widauer
Aus der Sammlung von Johann Widauer: Martin Kippenberger, 81 Plakate und Originale, 1983-1 (Nicht im Bild: die "Installation" aus Bierflaschen und - dosen, die während der Hängung entstand).

Foto: Courtesy Sammlung Sigrid und Franz Wojda © Helmut Federle
Helmut Federle Ohne Titel, 2002 aus der Sammlung des Ehepaars Wojda

Spezies Jäger und Sammler
Eine kleine Psychologie des zeitgenössischen Kunstsammlers offenbart sich in zehn Sammlungs-Präsentationen im Wiener Mumok

Wien – Jagen und Sammeln sind, psychologisch betrachtet, Urinstinkte des Menschen. Einst überlebensnotwendig, jagt der moderne Sammler heute dem Besonderen hinterher und freut sich am Besitz. Der private Kunstsammler ist eine besondere Spezies unter jenen, die dieser Leidenschaft frönen. Und so unterschiedlich das Angehäufte, so verschieden auch die Charaktere, Zugänge und Beweggründe dahinter.

Entdecken und Besitzen. Einblicke in österreichische Privatsammlungen nennt daher das Mumok seinen Blick in größtenteils österreichische Sammlungen und vermag dabei vor allem eines zu liefern: eine Psychologie des Sammlers.

Da gibt es jene, deren Sammlung von Zeitgenossen ganz stark durch den persönlichen Kontakt mit den Künstlern geprägt ist wie beispielsweise bei Johann Widauer. 1982 besuchte er mit Peter Kogler die documenta 7, eine Art Initialzündung für das Kunstinteresse des ehemaligen Heizungsgroßhändlers und Neogaleristen.

Oder jene, bei denen die intensive Auseinandersetzung mit dem Werk lange vor einem persönlichen Kennenlernen des Produzenten steht. "Die reine Emotionalität ist manchmal sogar etwas problematisch", erklärt das Ehepaar Sigrid und Franz Wojda, das ledigliches Anhäufen ohne klares Konzept niemals "Sammeln" nennen würde. Eine Strenge, die sich auch in der sehr geordneten Präsentation der minimalistischen, konzeptuellen und analytischen Kunst von Robert Barry bis Heimo Zobernig nach Formaten, Stilen und Medien niederschlägt.

Oder wieder andere, die weitaus spontaner kaufen: Der Arzt Horst Köhn stellt Zufälligkeit vor Strategie und Entdecken vor Besitzen. In seiner seit vierzig Jahren anwachsenden Sammlung, versammelt er etwa neben Paul McCarthy und Mike Kelley,‑ allerjüngste und weniger bekannte Künstlerpositionen. Er bekennt, dass sich die Persönlichkeit des Sammlers in den zusammengetragenen Werken zeige.

Ein wenig Mut und Koketterie gehört also sicherlich auch dazu, wenn österreichische Sammler, von denen es laut Kuratorin Eva Badura- Triska viel mehr gibt als bisher geschätzt, ihre Kleinodien zur Schau stellen, statt sie – und damit auch einen Teil ihrer Persönlichkeit – gegenüber dem öffentlichen Blick abzuschirmen. Biedert sich das Museum an, wenn es sein Prestige und den Raum für derartige Eitelkeiten hergibt? Oder aber wird hier Werbung betrieben – nach dem Motto "Sammeln ist geil" –, um einmal von Schenkungen und nicht immer von unsicheren Dauerleihgaben neuer potenter Kunstkäufer zu profitieren? Die Bogners haben übrigens schon geschenkt.

In sieben weiteren Kojen präsentiert sich die "Quintessenz" größerer und kleinerer Sammlungen von Philip Konzett, Heinz Ploner, Ernst Ploil, Michael Klaar, Christian Hauer, Christine Frisinghelli und Manfred Willmann oder Gertraud und Dieter Bogner: Kontraste zwischen extremer Reduktion und Überfülle, Ordnung und Chaos, Konzept und Emotion stand deren Wahl vor. In die Präsentation habe man sich wenig eingemischt, berichtet Badura-Triska.

"Sammler-Schauen"

Vielen Sammlern standen Galeristen zur Seite, Widauer realisierte mit einigen der ausgestellten Künstler, von der eine neue "Installation" aus Bierflaschen und -dosen, vermutlich eine Hommage an Martin Kippenberger, einem Sammlungsschwerpunkt, zeugt. Kurze Videos klären über die Triebfedern der Sammler auf, der Neugierde etwa, was und warum ein Künstler macht, was er macht. So viel Wissensdurst ist auch für den Besucher ansteckend: Noch tiefer will er die Sammlerseele ergründen.

Inszenierte Sammlungen, sich selbst inszenierende Sammler, da verrutscht eventuell das Interesse an der Kunst selbst und steigert gleichzeitig die Lust am "Sammler-Schauen". Ein voyeuristisches Bedürfnis, das der Katalog voll ausleben lässt. Viele Fotos offenbaren die Inszenierung der Werke in den Privat- und Büroräumlichkeiten ihrer Besitzer: Interieurs mit sündteuren Abscheulichkeiten der Möbelbaukunst und bürgerliche Staubfänger aus Stoff und Glas, Parkettböden, denen Gewalt angetan wurde und Tafeln, die komplett eingedeckt auf die nächste Abendgesellschaft warten. (DER STANDARD, Printausgabe, 15./16.10.2005)


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