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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
14. März 2008
16:38 MEZ
Foto: Museum der Moderne
In seiner neuesten Serie, den "Lightning Fields", begibt sich Sugimoto auf Benjamin Franklins Spuren und arbeitet mit Elektrizität, die geheimnisvolle Ge-wächse auf dem Fotopapier sprießen lässt.

Die Zeit überwinden: Museum der Moderne
Hiroshi Sugimotos Arbeit ist geprägt von Minimalismus und Konzeptkunst, hinter-fragt Wahrnehmung sowie das Medium Fotografie und ist dabei trotzdem ungeheuer poetisch

Salzburg – Meer und Luft haben sich in ein strukturiertes Grau aufgelöst. Dort am Horizont, wo sich Himmel und Wasser küssen und man in Blicken die Unendlichkeit sucht, verdecken graue Dunstschleier die scharfe Trennung der Elemente. Dort, wo in Aegean Sea (1990) aus Hiroshi Sugimotos berühmter Serie der Seestücke diese reale Sehnsuchtslinie nicht auszumachen ist, tanzt dafür eine virtuelle: Im Vor- und Zurück der eigenen Schritte spiegelt sich die gegenüberliegende Raumkante tanzend in der silbergrauen Poesie der Wellen.

Neun dieser streng konzipierten, vom Horizont in genau gleich große Hälften geteilten Seascapes dominieren den größten Raum des Museums der Moderne. Die Weite der Bilder, die sich von Hellgrau bis zu Nachtblau (Tyrrheniann Sea) erstrecken, addieren sich mit dem über das Fenster noch an Weitläufigkeit gewinnenden Raum zu einer besinnlich-meditativen Ruhe. Wie mag wohl die Welt ausgesehen haben, bevor Menschen sie bevölkerten, fragte sich der schlaflose Sugimoto, der zu den Top-fünf-Fotografen am internationalen Kunstmarkt gehört: Die Antwort gaben die Seascapes.

Die ausgewogene, auf ihre ästhetische Wirkung bedachte Hängung zieht sich durch die gesamte Retrospektive Hiroshi Sugimotos. Ebenso wie in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, wo die auch in Berlin und Luzern Station machende Ausstellung startete, hat der 1948 in Tokio geborene Meister dabei höchstpersönlich Hand angelegt.

Die minutiösen Fotografien mathematischer Modelle aus Gips etwa, die Sugimoto in ein skulpturales Licht taucht, haben Sichtkontakt mit Arbeiten von Henry Moore und Fritz Wotruba auf der Skulpturenterrasse des Museums. Einen im Spiel von weißen und grauen Flächen zu lichten Flecken architektonisch spannungsreichen Raum stattet Sugimoto mit seinen Colors of Shadows aus und erzeugt dabei wiederum – Harmonie. Wie monochrome Malerei erscheinen diese Fotografien, die "die sublime Vielfalt von Schattenfarben" zu erforschen suchen. Die strengen, konzeptionellen Prinzipien, die Sugimoto anwendet, etwa immer zu einer bestimmten Uhrzeit (Morgenlicht) und auf demselben Untergrund (japanischem Kalkputz) zu fotografieren, rückt ihn in die Nähe der Wissenschaft, zeigt aber auch seine Prägung durch Minimalismus und Konzeptkunst, die er kennenlernte, als er 1974 in seine neue Wahlheimat New York kam.

Sugimoto hinterfragt aber auch sein Medium, in dem er die in ihren Anfängen stark kritisierte "seelenlose" Abbildungsfähigkeit der Fotografie auf die Spitze treibt und jede Körnigkeit zugunsten der Illusion aus seinen Bildern eliminiert. Er macht also das Medium Fotografie geradezu transparent, um auf der anderen Seite Unschärfe wieder als Kunstgriff zu verwenden.

Aber Sugimoto ist noch mehr: Liebhaber, Sammler und Bewahrer von Fotografie. Seine Verbundenheit mit den Anfängen der fotografischen Techniken zeigt sich nicht nur in der Verwendung einer mehr als hundert Jahre alten Plattenkamera – laut Sugimoto gibt es nichts Präziseres –, sondern auch im "Retten" der frühesten Fotografien, den Kalotypien von Henry Fox Talbot. Die überaus heiklen Lichtbilder kopiert er, obwohl er dabei Gefahr läuft, ihre Zerstörung zu beschleunigen: "Ich musste dieses Risiko jedoch wagen, um zu den Ursprüngen zurückzukehren und diese ersten Positivbilder mit eigenen Augen zu sehen." (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 11.03.2008)


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