01.06.2003 19:38
Die im Dunkeln sieht man doch
Eine
Bestandsaufnahme der "Steirischen Moderne" auf der Burg Rabenstein
Frohnleiten - Was des Regionalen oftmals schlechten Ruf bedingt,
ist seine lang anhaltende Bescheidenheit, bekannt in weltmännischen Kreisen auch
als Ignoranz den großen Würfen gegenüber, die sich zwar zeitgleich, doch
geografisch weit entfernt, ereignen und dann die Menschheit gleich mit einem
Schlag um Weltepochen weiterbringen.
Wenn es auch nichts Steirisches an
der Moderne gibt, so ist die steirischste der Künste doch der Kampf mit dem
Althergebrachten. Das wusste Wilhelm Thöny schon und Alfred Wickenburg, die
Postimpressionismus, Kubismus und Expressionismus in die Grazer Sezession
einbrachten, bevor der Krieg das Träumen von ganz neuen Zeiten jäh zerschnitt.
Man hatte sich hernach mit viel verbrannter Erde abzumühen und
Abstraktionsvermögen aufzuholen, orientierte sich dabei an Paul Klee und Piet
Mondrian bis in die 60er-Jahre hinein. Manch eine(r) ist bis heute
kunsthandwerklich fleißig: abstrakter Künstler wie Kandinsky, Surrealist nach
Art Dalís, Konstruktivist wie El Lissitzky.
Erst 1960 war die Kluft zum
auswärtigen Kunstgeschehen überbrückt, und die Talente waren wieder auf neuestem
Stand. Günter Waldorf hat das Forum Stadtpark durchgesetzt und schon früh die
Pop-Art rezipiert, in Gottfried Fabians Bildern brach der Tachismus aus,
durchkreuzt von ganz präzise kalkulierter Ecriture, Rudolf Pointner hat in
intimen, weil kleinen, meist geschlossenen Formaten sich wahren Ornamentexzessen
hingegeben, Franz Ringel übte sich tierisch an den Ausgeburten reinster,
ungekünstelt impulsiver Malerei wie vor ihm nur die Gruppe Cobra. Günter Brus
wurde, wie wir wissen, Wiener Aktionist.
Dem taktilen Sensorium haben
Fritz Hartlauers Urzellen-Wucherungen, Gerhardt Moswitzers geometrische
Schachfigurenkörper oder Franz Xaver Ölzants biomorphe Formen neue Areale
aufgetan.
Die Achtziger waren die Ära Wilfried Skreiners, der den Neuen
Wilden von Erwin Bohatsch bis Hubert Schmalix auf ein internationales Podium
half. Wer und was nach ihnen kam, liegt außerhalb des Fokus der
Zusammenstellung, wird vielleicht einmal (im nächsten Jahr?) sogar in Graz zu
sehen sein. Und also geht ans Joanneum der Appell, ein wenig mehr mit seinen
steirischen Beständen anzufangen. Bis 12. 10.
(DER STANDARD, Printausgabe
vom 2.6.2003)