Ins Gegenlicht blinzeln

13. Mai 2010, 19:46
  • Artikelbild: Szene aus dem mehrfach ausgezeichneten Film "Contre-Jour" (2009) von Christoph Girardet und Matthias Müller. - Foto: Girardet/Müller

    Szene aus dem mehrfach ausgezeichneten Film "Contre-Jour" (2009) von Christoph Girardet und Matthias Müller.

Stephan Reusse in der Galerie Feichtner

"art & film" lautet das Motto des Projekts Curated_by in diesem Jahr: Künstler Stephan Reusse hat einen sehr direkten Zugang gewählt und zeigt in der Galerie Feichtner wunderbare Experimentalfilme.

Wien - Es ist das Medium Film, das dem Sehen des Menschen, seine bewegten, umherschweifenden Blicke am ehesten imitieren kann. Aber wie verhält es sich mit dem Nichtsehen, der Blindheit? Wie geht das visuelle Medium Film damit um?

Fragen, die von den Arbeiten der beiden Künstler Christoph Girardet und Matthias Müller aufgeworfen werden: Der deutsche Künstler Stephan Reusse hat das Duo für die ihm Rahmen des Curated_by-Projekts art & film kuratierte Ausstellung Contre-Jour ausgewählt. War für Girardet das experimentelle Arbeiten mit reduziertem Ausgangsmaterial kennzeichnend und für Müller die Verwendung von sogenanntem Found Footage, so hat erst ein Ausstellungsauftrag 1999 (Notorious - Alfred Hitchcock and Contemporary Art) zur Synthese ihrer Konzepte geführt.

Für Contre-Jour (Gegenlicht) in der Galerie Lukas Feichtner hat Reusse nicht nur die titelgebende Arbeit aus dem Jahr 2009 gewählt, sondern auch das Produkt ihrer jüngsten Zusammenarbeit: In Maybe Siam (2010) werden bekannte Szenen der Kinogeschichte montiert: Blinde Protagonisten wie Jane Wyman oder Mia Farrow bewegen sich unsicher tastend oder gar panisch durch Innenräume. Die Soundspur fehlt in der filmischen Collage nicht, aber sie ist vom Bild getrennt. Girardet und Müller haben sie vorgezogen; unterlegen damit die langen schwarzen Blenden zwischen den Sequenzen. Ein effektvolles Mittel, denn der Betrachter ist damit ebenso wie der Blinde auf das Hören zurückgeworfen, durch nicht zuordenbaren Geräusche verunsichert und orientierungslos.

Auch die mehrfach preisgekrönte Arbeit Contre-Jour thematisiert das Sehen: Die Experimentalfilmer haben Spielfilmszenen von Augenoperationen zu einem schnellen Flickerfilm montiert. In ästhetisch anspruchsvollen Bildern werden Sehprozesse und -phänomene eingefangen. Eine Arbeit von experimenteller Schönheit, die das visuelle Abtasten fast zu einer körperlich spürbaren Qualität werden lässt.

Addiert hat Reusse historische, ebenfalls mit starken Hell-Dunkel-Kontrasten spielende Arbeiten von Harry Kramer (1925- 1997). Dieser hat in den frühen 60er-Jahren gemeinsam mit Wolfgang Ramsbott famose, rhythmisch geschnittene und mit Jazz unterlegte Stadtfilme produziert. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Printausgabe, 14.5.2010)

 


Bis 5. 6.

Galerie Lukas Feichtner

Seilerstätte 19, 1010 Wien

druckenweitersagen:
posten
Posten Sie als Erste(r) Ihre Meinung

Die Kommentare von User und Userinnen geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich vor, Kommentare, welche straf- oder zivilrechtliche Normen verletzen, den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen (siehe ausführliche Forenregeln), zu entfernen. Der/Die Benutzer/in kann diesfalls keine Ansprüche stellen. Weiters behält sich die derStandard.at GmbH vor, Schadenersatzansprüche geltend zu machen und strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.