Quer durch Galerien
Vom Urknall auf Yukatan
Von Claudia Aigner
Vielleicht war es ja gar kein Asteroid. Vielleicht haben vor
65 Millionen Jahren bloß 1,3 Milliarden Dinosaurier versehentlich alle zur
selben Zeit . . . äh hinten einen Druckausgleich gemacht, noch dazu alle
gleichzeitig auf der Halbinsel Yukatan (wie es ja die Urknalltheorie
besagt - ach nein, das war, glaub' ich, doch irgendwas anderes), und dann
sind die Saurier unter der Smogglocke elendiglich erstunken. Und durch das
synchrone Umfallen . . . wurscht. Das mögen Berufenere klären als ich.
Ernährungsberater zum Beispiel. Aber Faktum ist: Die Macht der Masse
sollte man niemals unterschätzen. Besonders jetzt nicht, wo eine ziemlich
verdächtige Gruppierung einen simultanen "kollektiven Stuhlgang" von 1,3
Milliarden Menschen in Planung hat. Die Menschheit an sich mag ja
schon die beste Massenvernichtungswaffe sein (durch weltweites Autofahren,
Rauchen und Bohnenessen). 1,3 Milliarden Stühle können freilich noch viel
fataler für die Erdgeschichte sein als der Treibhauseffekt. Zumindest wenn
sie allesamt zu einer quadratischen Fläche von 1.300 Quadratkilometern
pilgern. (Dieser Stuhlgang war gemeint.) Man kennt das ja: Wenn alle
Chinesen - oder so - urplötzlich von ihren Sesseln springen, wird die Erde
entscheidend aus ihrer Umlaufbahn geworfen. Mahony präsentieren nun
bis 17. Jänner im Hilger Contemporary (Dorotheergasse 5) ihren
trittsicheren Klapphocker im praktischen Aktenkoffer und drohen, ihn 1,3
Milliarden Mal zu verkaufen. Eigentlich ein terroristischer Akt. (Ui,
jetzt wird es wohl oder übel ein Einreiseverbot für Aktenkoffer in den USA
geben. Der Aktenkoffer von Osama Bin Laden steht vielleicht eh schon auf
der Watchlist.) Mahony - eine Weltuntergangssekte? Zivile Ungehorsame, die
zur groben Insubordination gegenüber der interplanetaren Gravitation
anstiften? Oder Sonnenanbeter, die daran arbeiten, die Erde mit der Sonne
zu fusionieren? Dazu gibt' s eine professionell euphorische, ergo
verunsichernde Werbesendung. Köstlich schockierend. Deshalb will ich
aber nicht gleich die andern unter den Tisch fallen lassen, auch wenn sie
sowieso spätestens in zehn Jahren in der Sonne dampfen. Peter Fattinger
etwa, der die Privatsphäre, die ein Futtersilo bietet, ausnützt und ein
solches in ein "Extrazimmer" umbaut. Sein idyllisch zynischer
Sushi-Tisch "A Fish Called Wanda" (mit eingebautem Aquarium und echtem
"swimming sushi", rohem Fisch, der so roh ist, dass er noch schwimmt) ist
geradezu makaber. Gegenüber der Produktbeschreibung fehlt nämlich ein
Goldfisch. Wohl ein Opfer des Missverständnisses eines Japaners.
Originell: So etwas wie transsexuelle Kleidung (von Cloed Baumgartner).
Männerhosen, die eine Geschlechtsumwandlung in Frauenkleider hinter sich
haben. Auffallend: dass so vieles hier einen tatsächlich praktischen
Nutzen hat. Gut, die süffig und fotogen gemalten, voguetauglichen
Selbstdarstellungen von Matthias Bade kann man sich nur aufhängen. Ach ja:
Kuratiert hat der eSeL (Lorenz Seidler), der seinen Erwählten ein
antiautoritärer Hirte war. Oswald Stimm (bis 17. Jänner im Atrium ed
Arte, Lerchenfelder Straße Nr. 31) kann sein Können nicht verleugnen. Er
zimmert und baut seine Holz- und Metallleute mit Hingabe, mal "pittoresk
primitiv" oder hinreißend leibhaftig (ich meine seine herzhaft
afrikanischen Damen), dann wieder ingenieurhaft. Seine "abstrakten"
Konstruktionen sind irgendwie trotzdem nicht völlig unmenschlich. Nicht
einmal sein rätselhaftes "Simulacrum", ein schwankendes "subjektives"
Holzkisterl (eines mit Persönlichkeit also). Da ist sicher ein . . . ach,
ich verrat' s nicht . . . drin.
Erschienen am: 09.01.2004 |
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