Quer durch Galerien
Der fünfzehnte Nothelfer
Von Claudia Aigner
Ihr Motto: "Amo ergo sum" (Ich liebe, also bin ich). Das hat
Renate Bertlmann ja fast notgedrungen dafür prädestiniert, irgendwann
einmal auf die zentrale Reliquie vom Hl. Erectus zu stoßen. Die
Standhaftigkeit dieses Heiligen (der um einiges anatomischer ist als die
herkömmlichen Heiligen) hat sie dann hübsch arrangiert und zur allgemeinen
Andacht freigegeben. Der Hl. Erectus? Den hat uns die Kirche aber
verschwiegen. Dürfte der 15. Nothelfer sein. Mittlerweile hat sich unter
den Anhängern dieses seltsamen Lingamkultes ja anscheinend so etwas wie
ein rituelles Abendmahl etabliert (sich nämlich eine blaue Tablette auf
die Zunge zu legen und auf die wundersame Potenzwerdung zu warten, um dann
zu schreien: "Halleluja! Halleluja! I wear narrisch!"). Renate
Bertlmann (bis 31. Juli in der Fotogalerie, Währinger Straße 59) gibt den
Star des Patriarchats genussvoll der Heiterkeit preis, also den kleinen
Macho, wegen dem die eine Hälfte der Menschheit beim Pinkeln acht
Zentimeter Vorsprung hat (Maßangabe ohne Gewähr). In ihrer frühen
Fotoserie "Renée ou René?" würgt sie den ihr vom Onkel Freud
vorgeschriebenen Penisneid. Beutelt also die Luft vor ihrem Hosentürl
ordentlich durch. In grotesker Ekstase. Dem Phänomen "Phantomschmerz"
nicht ganz unähnlich. Ein Fall von Geschlechtsanmaßung? Köstlichst
lebt die Bertlmann ihren feministisch erotischen Spieltrieb aus. Bis hin
zum "unbefugten Bekleiden". Etwa wenn sie einer nachgebildeten
"Männlichkeit" ein rosa Rüschenkleidchen anzieht: "Mamas Liebling." Eine
frevlerische Verniedlichung der Manneskraft durch "Verrüschelung" und
"Verpuffärmelung". Oder einfach der Stammhalter, der halt gehätschelt
wird. Grenzt an Potenzlästerung. Die Bertlmann bastelt auch unorthodoxe
(Liebes-)Puppen. Bei opulenten Roben schaut oben statt eines pausbäckigen
Porzellanköpfchens das schlanke Haushaltsgerät für allein stehende Damen
heraus (das batteriebetriebene "Ehe-Placebo", die "Ehemann-Attrappe"). Der
fleischliche Actionheld, den man in Anlehnung an den Terminator
"Penetrator" nennen muss ("eiskalt, gefühllos und voller Dynamik" - so ist
jedenfalls der Terminator), imponiert der Künstlerin offenbar nicht
besonders. Die Actionfiguren aus Kunststoff (Dildos) bekleidet sie aber
immer wieder liebevoll provokant mit den Uniformen diverser Männervereine.
"Zwitscher-Litanei" (animierte Digitalfotos): Da schaut sie Dildos, die
als Kardinäle maskiert sind, von oben in die Mitra hinein. Ein Anblick,
der (auch wegen dem Zwitscher-Sound) an Vogelschnäbel erinnert, die um
Futter betteln. Das muss jetzt aber nicht heißen: Das Zölibat ist willig,
aber die Anatomie ist schwach. Bertlmanns vielschichtige
Patriarchatskarikaturen und Pornografiegrotesken sind eine einmalige
Mischung aus fast religiöser Andacht und heidnischer Obszönität.
Gleichberechtigt sind die Geschlechter sogar auch. Einmal. Auf der
Wäscheleine. Da hängt von beiden die Reizwäsche (darunter eine "Wollsocke"
für das dritte Bein des Mannes). Günther Förg: bis 31. Juli bei
Wolfgang Exner (Rauhensteingasse 12). Geschmack ist eine Geschmacksfrage.
Und vielleicht sind die einzigen Kriterien für die Bewertung von Kunst
ohnedies die Schönheit und der Unterhaltungswert. Die abstrakten Bilder
von Günther Förg erfüllen meine Ansprüche von Schönheit am ehesten dort,
wo die Komposition am zurückhaltendsten ist und bloß ein schmaler Balken
spannend in eine malerisch sinnliche, "wabernde" Farbfläche hineinragt.
Und davon fühle ich mich ja eigentlich schon unterhalten.
Erschienen am: 19.07.2002 |
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