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Bilder, die man zu riechen glaubt

Die Zeiten, in denen Nitsch-Ausstellungen wilde Proteste hervorriefen, sind vorbei. Nitsch ist längst professoral, seine Kunst klassisch.

INNSBRUCK. Die Galerie Thoman zeigt in ihrer aktuellen Ausstellung einen Querschnitt durch Hermann Nitschs einzigartiges Werk. Zu sehen sind - teilweise später überarbeitete - Relikte aus diversen Aktionen, beginnend mit dem lange verschollenen "Dyonisos Altar" von 1960.

Bereits dieser zeigt Nitschs Wurzeln im gesamstkunstwerklich Theatralischen. Seine Faszination am katholischen Auferstehungsmythos, an antiken und heidnischen Ritualen, aber auch am zeitgenössischen Aktionismus fand ihren Ausdruck in Nitschs Orgien-Mysterien-Theater, von dessen Idee der noch nicht Zwanzigjährige bereits Mitte der Fünfzigerjahre träumte, und um das sich ab nun das gesamte künstlerische Tun Nitschs entwickeln sollte.
1960 fand im Technischen Museum in Wien die erste Malaktion statt, gefolgt von immer komplexeren theatralischen Aktionen, in denen die Musik, aber auch das kultisch ritualisierte Ausweiden von Tieren immer wichtiger wurde. Im niederösterreichischen Schloss Prinzendorf fand Nitsch den idealen Spielort für seine in der Folge über mehrere Tage zelebrierten Orgien-Mysterien -Theatern.

Relikte aus einigen dieser Aktionen zeigt die Ausstellung bei Thoman. Aktionsobjekte wie Kaseln oder Tragbahren sind Teile dieser eigenartig berührenden Collagen, deren mit Blut oder anderen Körpersäften durchtränkten Leinwände man förmlich zu riechen glaubt, obwohl das Geschehene längst zur gut konservierten Ikone geronnen ist.

Seit der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre sind opulente, bei Malaktionen entstandene Schüttbilder wichtiger Teil der Kunst Nitschs. Rot ist hier die dominierende Farbe, die er in expressivem Gestus auf die Leinwände schüttet, rinnen, gerinnen, verspritzen lässt. In den jüngsten Arbeiten taucht eine neue Farbigkeit auf. Ein Grün und Gelb ergänzen das nach wie vor zentrale Rot, verdichtet zu noch nie gekannter Pastosität. Nitschs jüngstes Werk in der Schau ist ein "Auferstehungsbild", dessen Basis kein liturgisches Gewand, sondern das Malhemd des Künstlers ist.
2002-11-26 16:06:03