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13.05.2003 - Kultur News
"Unglaublich, was Kunst aushält"
Um politische Kunst und Massenkultur ging es auf dem Symposium "Europas Kultur" in St. Pölten.


Aida als Putzfrau, Nabucco als Saddam Hussein - es sei "unglaublich, was die Kunst alles aushält", stellte der Wiener Staatsoperndirektor Ioan Holender auf dem von der niederösterreichischen Landesakademie und der Kulturorganisation GlobArt veranstalteten Symposium "Europas Kultur - ein Weg in die gemeinsame Zukunft?" fest.

Ob Kultur oder Kunst politisch sei, hatte man ihn gefragt. Seine lapidare Antwort: Nein. Zwar werde Kunst von der Politik instrumentalisiert. Das mache sie aber zu keiner politischen Kunst. Nicht einmal Richard Wagners politische Einstellung habe auf sein Werk abgefärbt. Auch Verdis Opern seinen unpolitischer, als immer behauptet werde. Sie würden auch dann nicht politisch, wenn ein Regisseur bei seiner Inszenierung vordergründige aktuelle Bezüge herstellt, ist Holender überzeugt.

Kunst ist aber auf Geldgeber angewiesen. Deshalb suchten Kunstschaffende zu allen Zeiten den Kontakt mit den Machthabern. "Theater und Oper sind eben immer teurer, als sie Geld einbringen," stellt der Staatsoperndirektor fest. Von daher erkläre sich das oft kolportierte Naheverhältnis von Kunst und Politik. Auch heute förderten Politiker persönlich favorisierte Künstler: Den Werken merke man meist aber nichts Politisches oder gar Parteipolitisches an.

Die anderen Teilnehmer des Symposiums gestanden Kunst und Kultur mehr kritischen Einfluss auf die Politik zu: In Polen sei Kultur jahrzehntelang in Opposition zur Politik gestanden, berichtete Botschafterin Irena Lipowicz: Zur Zeit der deutschen Besatzung und im Stalinismus waren sogar Universitäten im Untergrund tätig.

Auch in demokratischen Gesellschaften müsse Kultur die Politik kritisieren, forderte Felix Unger, Präsident der Europäischen Akademie der Wissenschaften. Kultur sei nicht nur Kunst: "Die drei Prozent, die eine Kokoschka-Ausstellung besuchen, sind nicht die einzigen Kulturträger." Der Alltagskultur in Europa gesteht Unger derzeit aber wenig Kritikpotenzial zu: "Sie ist eine brutale Kultur des Geldes, der Macht." b. l.



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