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25.08.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
Ausstellung: Männer im Dunkeln
VON DANIELA TOMASOVSKY
"Prater. Kino. Welt" im Planetarium.

Auch das kann Kino sein: Ein Dutzend Menschen sitzen im Kreis, starren durch 24 Gucklöcher in einen zwei Meter hohen Holzzylinder. Was darin zu sehen ist, galt anno 1892 als der letzte Schrei in Wien, Berlin oder Brüssel: Dreidimensionale "stereoskopische" Bilder, die in regelmäßigen Intervallen wechseln. Das erste "Kaiserpanorama" kam 1885 nach Wien, 120 Jahre danach kann es bei der Ausstellung "Prater. Kino. Welt" wieder benützt werden.

So elitär sein Name, so egalitär sein Anspruch: Die mobilen Stereoskope konnten sich nur bürgerliche Haushalte leisten, der Eintritt ins Kaiserpanorama war auch fürs gewöhnliche Praterpublikum finanzierbar. Heute, da die Allgegenwart der bewegten Bilder eher zur Volksverdummung führt, ist kaum nachvollziehbar, dass das Kaiserpanorama ein "Volksbildungsmittel von außerordentlicher Bedeutung" werden sollte (so der Anspruch seines Schöpfers, August Fuhrmann). Ganze Weltreisen konnten per Kaiserpanorama absolviert werden: Paris, New York, Ägypten, Japan, China, . . .

Kino im Prater, 1905: Keine gewöhnlichen Buden, sondern pompöse Paläste mit neobarocken Fassaden beherbergten die nun nicht mehr mechanisch bewegten Bilder. "Kinematographische Vorstellungen" waren jetzt das Non-plus-ultra der Unterhaltungsindustrie, liefen in sechs Praterkinos (Stiller, Schaaf, Münstedt, Kern, Klein, Busch). Und die Bürokratie blühte: Neben Notbeleuchtung war eine Anstandslampe vorgesehen, die Praterinspektionsbehörde verfolgte die Ertragsentwicklung. 1912, am Höhepunkt des Booms, hob das Obersthofmeisteramt die Pachtzinse für Kinobetreiber auf das Zehnfache an. Die übrigen Praterbetriebe zahlten weiter die gleichen Tarife.

Das mit der Volksbildung war nun weitgehend passé. "Kino 1910, das war nach Ansicht vieler ein Ort der billigen Unterhaltung: ungewaschene Männer sitzen im Dunkeln, allein oder in Begleitung von Damen mit ungewissem Lebenswandel", sagt Kunsthistoriker Georg Vasold. Als Kunstform wurde das Kino noch nicht ernst genommen. Max Brod zeigte sich "belustigt, dass es hier eine Kassa, eine Garderobefrau, Musik, Programme, Saaldiener, Sitzreihen gibt, all dies pedantisch genauso wie in einem wirklichen Theater mit lebendigen Spielern". Felix Salten, der 1911 ein Buch über den Wurstelprater herausbrachte, sagte dem Film eine große Zukunft voraus; künstlerischen Anspruch wollte er ihm aber erst zugestehen, wenn es Regisseuren und Schauspielern gelänge, sich vom Niveau "armseliger Provinzbühnen" abzuheben.

Kino im Prater, heute: Fünf der sechs Praterkinos wurden bis 1945 abgetragen oder abgebrannt, nur eines, das Lustspieltheater, schaffte es bis 1981. Nur noch vom Wien Museum errichtete Stellen erinnern an die Standorte. Und diese feine Schau.

Bis 18. 9., Pratermuseum im Planetarium beim Riesenrad, Oswald-Thomas-Platz 1, Di-Fr: 10-13, 14-21.30, Sa, So: 14-21.30.

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