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Heimo Zobernig: "Verkehre gerne das Unten und Oben"

01.04.2011 | 18:28 | von Sabine B. Vogel (Die Presse)

Heimo Zobernig zeigt seine Objekte im Essl-Museum. Mit der "Presse" sprach er über die ständige Wiederkehr der weißen Wand, über sein Raumkonzept und die Schönheit eines schwarzen Kubus.

Die Sockel bestehen aus Transportkisten, die darauf stehenden Vitrinen gehören zum Lagerbestand des Essl-Museums, und die kleinen, abstrakten Skulpturen aus Karton darin schuf Heimo Zobernig in den 1980er-Jahren. Quer durch den Raum ist ein Vorhang gezogen und auf der Bühne werden Konzerte stattfinden. Erscheint Zobernigs Personale im Essl-Museum auf den ersten Blick fast improvisiert, so erweist sie sich schnell als präzises Konzept.

 

Die Presse: Wieso präsentieren Sie Ihre Skulpturen im Essl-Museum auf Transportkisten?

Heimo Zobernig: Der weiße Sockel ist bei mir ja selbst eine Skulptur. Also habe ich nach einem Ersatz gesucht, um die Modelle in Betrachterhöhe zu bringen. In meinem Atelier haben sich im Laufe der Jahre diverse Transportkisten angesammelt. Und da ich gerade mein Atelier ausräumen musste, bot sich diese Lösung an. Bei dieser Gelegenheit habe ich auch die elf Objekte für die Ausstellung ausgewählt. Zum Beispiel den schwarze Kubus: Das ist doch amüsant, wenn ich als Künstler auf der Suche nach der gelungenen Form zu diesem schlichten Ergebnis komme.

 

Hinter der großen Bühne mitten im Raum stehen durch einen Vorhang abgetrennt quer durcheinander Stühle – soll man sich dort hinsetzen?

Nein. Das ist der Backstage-Bereich. Man rätselt ja immer, was hinter der Bühne für tolle Partys stattfinden. Meine Vermutung: Dahinter passiert gar nichts Spannendes. Da stehen Stühle, die üblicherweise sagen: „Setz dich auf mich.“ Das ist hier nicht so gemeint. Jetzt sagen sie: „Schau mich bitte nur an.“

 

Sie erhielten den Kiesler-Preis, zeigen Ihre Werke nicht nur im Essl-Museum, sondern kurz zuvor auch in der Kunsthalle Zürich und in der Wiener Galerie Meyer-Kainer – wieso so viele Personalen gleichzeitig?

Diese zweite Karriere liegt zum Teil daran, dass jetzt jüngere Kuratoren in leitender Position sitzen. Die haben meine Arbeit während ihres Studiums kennengelernt und interessieren sich neben meinen frühen Werken auch für meinen kuratorischen Beistand. Ich habe in den 1990er-Jahren auch die Umstände des Ausstellens behandelt, die Möblierung, das Sprechen über Kunst.

Zur Kiesler-Preisverleihung letztes Jahr hieß es in der Begründung, Sie würden in Ihrem Werk „etablierte Sichtweisen subtil untergraben“ – was bedeutet das?

Ich denke, man muss sich scheinbar Bekanntes immer noch einmal anschauen: Denn es geht zwischendurch Wissen verloren, und die Grundlagen müssen immer wieder erneut definiert werden. Eine Spur liegt in der Technik, dem Material, denn das sind ja Traditionen, auf die man manchmal auch unhinterfragt aufbaut. Die nackte Leinwand, zum Beispiel, das weiße Bild, das taucht seit fast hundert Jahren immer wieder auf und muss immer wieder anders befragt und neu aufgebaut werden.

 

In der Galerie Meyer-Kainer haben Sie die Wände mit Stoffen und Papierbahnen verkleidet – ist dieser Eingriff auch eine „erneute Befragung“?

Ich zeige ja nicht nur Bilder, sondern auch die Räume, in denen sie hängen, um zu zeigen, dass meine Einrichtung in der Galerie zu Erlebnissen, zu Empfindungen einlädt. Der Galerieraum gefällt mir mit seinen überhohen Dimensionen. Ich möchte aber nicht als „Opfer“ in dem Raum ausstellen, der mir die Bedingungen vorgibt, sondern eine Gestaltung machen, die den Raum verdreht – den Raum durcheinanderbringen, das Oben und Unten verkehren.

Sie sind Professor an der Akademie der bildenden Künste Wien. Wie viel Bildung braucht es für eine künstlerische Ausbildung?

Zahlreiche Bewerber haben schon andere Studien begonnen oder absolviert. Das sehe ich als großen Vorteil. Es gibt natürlich auch die wenigen Ausnahmen – früh erkannte Talente, die sich in anderen Schulen nicht zurechtfinden. Da fehlt aber noch die Weite des Wissens.

 

Manche Schulen setzen auf Praxis. Wechseln viele dieser Schüler in künstlerische Studiengänge?

Nicht besonders auffällig. Das sind ja meistens berufsbildende Schulen mit einem klaren Praxisziel. Fehlt der Grund, warum ein Bild, eine Skulptur entstehen kann und soll, braucht man nicht auf eine Kunstakademie. Es gibt immer wieder großartige handwerkliche Talente, die aber nicht wissen, was sie damit tun sollen, was es zu erzählen oder zeigen gäbe.


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