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10.05.2003 - Ausstellung
Alles wurscht im Reich der Illusionen?
"Art Cuts" verwandelt das Palais Harrach zum Erlebnis-Parcours durch die zeitgenössische österreichische Kunstproduktion.
VON ALMUTH SPIEGLER


G
anz lapidar steht ein Wort am An fang. "Schön". Und schwer kann man skeptisch bleiben, wenn man sich, zum Entziffern dieser Buchstaben, in der Mitte des Raumes über die von Leo Zogmayr schwarz hinterlegte Glasplatte am Boden beugt und einem dabei ein barockes Fest entgegenschlägt: der prachtvolle Luster, die üppigen Deckengemälde, Stuck, Vergoldung, die ganze pompöse Zierde eines repräsentativen Stadtpalais eben. Zum ganzen Überfluss quillt unter dem Spiegelobjekt noch das Ornament des Parketts hervor. Im Wiener Palais Harrach, wo sonst Sonderausstellungen des Kunsthistorischen Museums stattfinden, hat sich Galerist Ernst Hilger eingemietet und Carl Aigner, Direktor des Landesmuseums Niederösterreich, eingeladen, zu zeigen, dass zeitgenössische Kunst und historisches Umfeld einander nicht ausschließen müssen. "Art Cuts" ist das großteils gelungene Ergebnis, zu dem 16 (bis auf zwei Ausnahmen österreichische) Künstler beitrugen. Die Inszenierung folgt einem klaren Konzept: beginnend mit Skulpturen (Willi Kopf) und Minimalistischem, wird es immer sinnlicher und plakativer, je weiter man vordringt. Eine schleichende Leidenschaft, die sich zum Schluss als Bluff herausstellt.

Doch zuvor wandelt man durch ein "Seerosen"-Zimmer, wo Nikolaus Moser Monets Abstraktion in wuchtigen Ölschichten übersteigert. Das bleibt nicht die einzige Referenz an "alte" Meister: Rainer Wölzl beschwert einen düsteren Raum mit seinen großformatigen Desaster-Zeichnungen, die neben verbrannter Erde, Hungernden, trostlosen Hallen einen Ausschnitt des Parthenon-Fries zeigen. Die zutiefst heimische Moderne nimmt Berenice Darrer aufs Korn und verpasst Alfons Waldes Tiroler Schneelandschaften einen Touch cool-spiegelnder Sonnenbrillen. Durch die Berge hopsen jetzt freche, rothaarige Nymphen, da fehlt nur der Chanel-Bikini.

Doch für Mode-Fetischismus ist sowieso der 27jährige Daryoush Asgar zuständig, der Models über die Leinwand stolzieren lässt, betont lässig und irreal. In eine unerreichbare Position bringt sich auch Sieglind Gabriel in ihren manipulierten Fotos: Gelangweilt gähnend, schummelt sie sich mitten in die Monegassische Fürstenfamilie. Ungestörtere Privatsphäre baut Hubert Lobnig mit seinen kleinformatigen Bildern im Bibliotheksraum auf: Porträts von Freunden anhand ihrer Wohnsituation. Gegen diese Zurückgenommenheit knallt der Abschluss nur so: Wie für einen monströsen Setzkasten reiht Thomas Jocher seine Motive durcheinander: Völlig banalisiert hängt da ein Hitler unter einem riesigen Extrawurstblattl. Puff, die Illusionen platzen. Nur das Palais Harrach steht noch - natürlich.

Bis 26. Juni. Tägl. 10-18 Uhr.



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