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08.06.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Ausstellung: "Körper, Gesicht und Seele"
VON ALMUTH SPIEGLER
Das Leopold Museum zeigt fulminant zusammengewürfelte Frauenbilder.

Künstlerinnen, eigenkreative Musen, ja selbst kennerische Gattinnen mächtiger Sammler - sie alle hatten und haben es schwer, aus den penetranten Schatten ihrer Partner oder Konkurrenten zu treten. Das wissen wir. Evas Karriere scheint eine schleppende zu sein, bildmäßig ist sie dafür bestens dokumentiert. Gehörten etwa 1768 schon zwei Malerinnen zur Künstler-Gruppe, die in London die Royal Academy aus der Taufe hob, durften Angelica Kauffmann und Mary Moser am Gründungsporträt der Herren nur mehr indirekt teilhaben: als Halbporträts an der Wand im Hintergrund. Kleinlich? Dass die Londoner Akademie danach über 150 Jahre lang, bis 1936, keine einzige Künstlerin mehr als volles Mitglied aufnahm, wird meist tunlichst verschwiegen.

Schließlich hat man sie immer griffbereit in den Annalen, die paar "Vorzeige-Emanzen". Wie das Kunsthistorische Museum etwa, das bei Bedarf auf sein tief ernstes Selbstporträt der Renaissance-Malerin Sofonisba Anguissola verweisen kann. Dieses hängt gerade leihweise in einer fulminant zusammengewürfelten Gruppen-Ausstellung zum Bild der Frau in der Sammlung Leopold. Zur Illustration von Elisabeth Leopolds in nahezu jugendlicher Unschuld erblühtem Ärger über derartige Ungerechtigkeiten. Die Kunstgeschichte selbst habe sie zu einer "Feministin wider Willen" gemacht, sagte sie bei der Pressekonferenz. Und das merkt man dieser Schau, der ersten, bei der die Frau des Sammlers federführend ist, trotz allem Eifer auch an.

Unterstützt von der jungen Kunsthistorikerin Birgit Laback wählte Elisabeth Leopold 150 Werke von 90 Künstlern vorwiegend männlichen Geschlechts, spannte den Bogen allerdings zeitlich so weit, vom 16. bis ins 21. Jahrhundert, dass er in der Spannung ziemlich überstrapaziert wurde. In der letztendlich von Rudolf Leopold gehängten Bilder-Flut ist die "Wandlung des Frauenbildes" allerdings nur in groben Grundzügen herauszulesen: Vom männlich dominierten Blick auf die Frau, der sich meist auf die optischen Vorzüge dieses Geschlechts konzentrierte, bis hin zur heutigen Kunst, in der Künstler wie Künstlerinnen die tradierten Rollenbilder der Frau hinterfragen, entlarven oder provokant zerstören.

Die Themen der Schau wie Erotik, Dame, Mädchen, Mutter und Bäuerin, Akte oder Rebellion verstärken jeweils tradierte Klischees jedoch mehr, als sie sie hinterfragen. Mutiger dagegen sind die großteils ikonografisch erklärbaren Kombinationen von Alt und Neu: So findet sich vor Hans von Aachens manieristischer Vergewaltigungsszene von "Tarquinius und Lucretia" (KHM) eine Stoffpuppe der großen US-Objektkünstlerin Louise Bourgeois, deren Torso wie zum weiteren Verstümmeln bedrohlich unter ein Messer gespannt wurde. Das Foto, in dem Valie Export emanzipatorisch-kämpferisch mit "Genitalpanik"-Hose und Maschinengewehr posiert, neben eine ebenfalls mit Gewehr porträtierte "Frau Allahs" von Shirin Neshat zu hängen ist in der Aussage allerdings höchst bedenklich.

Wirklich beachtlich sind die vielen Leihgaben, die um 200 Mill. € versichert werden mussten. Neben Dürers Venezianerin, wiederum aus dem KHM, konnten u. a. mehrere Klassiker wie Picasso, Beckmann, Jawlensky aus der Sammlung Batliner gewonnen werden sowie die zauberhaft selbstbewusste "Mrs. Siddon" Thomas Gainsboroughs aus der National Gallery London.

Gar nicht so nebenbei bietet diese Ausstellung aber einen hochinteressanten Einblick in die neue, (noch nicht) vom Staat angekaufte Sammlung, die Leopold gerade aufbaut, "Leopold 2" genannt. Sie ist zwar nicht als solche ausgeschildert, doch ist es in Wien ein offenes Geheimnis, dass sich hinter dem Verweis "Privatsammlung München" schon einmal die leopoldsche Provenienz verbergen kann. So würde es nicht weiter wundern, das angeblich erstmals in Wien zu sehende, grandiose unfertige Gemälde eines Liebespaares von Egon Schiele hier verortet zu finden. Es hängt am Schluss dieser gut gemeinten Ausstellung, laut Elisabeth Leopold als "versöhnliches Ende".

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