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Nicht unbedingt gemeinsame Sache machten jene acht, die für „Island by
Numbers“ wochenlang durch Island reisten. Doch es verband sie ein
gemeinsamer Auftrag, formuliert vom Linzer OK Centrum: Ein Land
künstlerisch zu erkunden, das sich durch geografische Randlage, extremes
Klima, geringe Bevölkerungsdichte, eigenwillige Tradition und eine
faszinierende Landschaft auszeichnet. Und sie sollten etwas mitbringen –
etwas, das die Lebenszusammenhänge der Bewohner widerspiegelte, oder einen
Bericht von einem Ort, der als ein „anderer“ empfunden werden konnte, oder
auch einfach nur eine Erinnerung, Musik, einen Klang. So viele Künstler,
so viele Antworten. Plank/Poschauko etwa arbeiteten ihre Eindrücke zur
sound-untermalten Doppelprojektion um, Pepi Maier thematisiert in einer
Kühlskulptur das Klima. Oder Gerhard Gutenberger: In einer isländischen
Rettungshütte verbirgt er Reiseandenken. Poesie schwingt dabei allemal
mit.
Norden, Stimmungen, Reisen – das spielt auch eine Rolle im Werk von Per
Kirkeby, Herbert-Boeckl-Preisträger 2003. Drei Werkblöcke aus
unterschiedlichen Phasen zeigt das Rupertinum parallel zur großen, Nolde
und seinen Freunden gewidmeten Sommerausstellung.
Zur
Komplettierung der Nordkunstexpedition seien auch drei Ausstellungen
jüngerer Künstler empfohlen: in einem „Digitalen Garten“ lenkt die Dänin
Ane Mette Ruge, ebenfalls im Rupertinum, mit hochtechnologischen Mitteln
den Blick auf das Unscheinbare, Alltägliche. Im Salzburger Kunstverein
gibt Videokünstler Peter Land mit „Ride“ einmal mehr den tragischen
Antihelden. Und ebendort im Hauptraum begibt sich Ene-Liis Semper,
estnischer Shooting-Star der letzten Venedig-Biennale, in existentielle
Grenzsituationen und thematisiert per Video suizidale Inszenierungen.
Grenzgänger. Hand aufs Herz: Wie oft waren Sie in Bratislava? Die Stadt
ist von Wien nicht weiter entfernt als St. Pölten. Jedenfalls gibt es
jetzt Gelegenheit zu einer virtuellen Reise dorthin. Unter dem
vieldeutigen Motto „Stadt in Sicht“ stellt das k/haus neue Kunst aus der
benachbarten Hauptstadt vor. Parallel dazu kann Einsicht genommen werden
in eine spezielle Form des Archivs: Seit 20 Jahren hält Linde Waber ihre
Atelierbesuche bei Kollegen aller Kunstrichtungen mit dem Zeichenstift
fest. Mittlerweile gibt es um die 500 solcher Atelierzeichnungen, eine
umfassende Auswahl davon präsentiert das k/haus – auch im Sinne einer
„Topografie der österreichischen Kunst- und Zeitgeschichte“.
Auf eine Reise nach innen laden im Innsbrucker Taxispalais Ketty La
Rocca und Helena Almeida. Während die jung verstorbene Italienerin in den
70ern daran arbeitete, die herrschende Politik der Körper mit den Mitteln
der visuellen Poesie, bildenden Kunst und Performance sichtbar zu machen,
lotet Almeida seit 35 Jahren die Grenzen zwischen innen und außen aus,
indem sie ihre eigene Person in den Mittelpunkt ihrer Arbeiten setzt. Eine
ähnliche Fragestellung verhandelt auch ein Projekt der Wiener
Exnergassen-Kunsthalle: Wie gehen Künstlerinnen der jungen Generation mit
der Grenze zwischen Innenwelt und Außenwelt um? „drinnen ist’s anders“
versammelt Diainstallationen, Videoarbeiten und Fotografien von 14
Künstlerinnen aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und den USA,
darunter Anita Fricek, Almut Rink, Ulrike Lienbacher, Maria
Hahnenkamp.
Um mediales Terrain geht es auch in der Secessions-Ausstellung „Fate of
Alien Modes“ („Schicksal vom fremden Code“): Im Mittelpunkt des prominent
besetzten Projektes stehen Kino, Spielfilm, Video und Kunstfilm – alle in
verräumlichter, den Kunst- und Filmdiskurs gegen den Strich bürstender
Form. Neben Installationen umfasst die Schau script-basierte Formate,
temporäre Set-Architektur, Sound-Arbeiten und performative Prozesse (mit
Chantal Akerman, Thomas Bayrle, Jean-Marie Straub/Danièle Huillet, Harun
Farocki, Penelope Georgiou, Jack Goldstein, Derek Jarman, Ulrike Ottinger,
Michael Snow, Judith Barry, Angela Hareiter, Karl Sierek).
Wie denn der Sommer insgesamt jede Menge anspruchsvoller Medienkunst
bietet. Als spannende Ergänzung zur schwergewichtigen
Secessions-Ausstellung bietet sich etwa Mathias Polednas Installation im
MUMOK an, in der er auf unterschiedlichen Ebenen, unter anderem mit
filmischen Mitteln, die Rhetoriken visueller Medien vom Kommerzfilm über
den Video-Clip bis hin zum Avantgardekino untersucht.
Relativ schlicht wirken dagegen Anri Salas zwischen Poesie und
Dokumentarismus pendelnde Videoschleifen in der benachbarten Kunsthalle.
An philosophischen, politischen und literarischen Referenzen reich ist
schließlich das Oeuvre des amerikanischen Künstlers Allen Sekula. Während
er sich in seinem dreißigjährigen Schaffen einen Namen vor allem mit
dokumentarischen Sequenzen machte, in denen es um soziale Bedingungen und
ökonomische Verhältnisse geht (beispielsweise die Lebensumstände von
Hafenarbeitern), richtet die Generali-Ausstellung ihr Augenmerk besonders
auf Sekulas Interesse am Theatralischen, das die dokumentarische Seite der
Arbeit um die Dimension des Ironisch-Humorvollen erweitert.
Eckpunkte. Es gibt also viel zu tun, in diesem Sommer. Zum
Pflichtprogramm für Kunstinteressierte gehört eine ganze Reihe von
Klassikerausstellungen: Da kann man seine Duchamp-Kenntnisse auffrischen
im Wiener Heiligenkreuzerhof, wo Bekanntes und Unbekanntes aus dem
Schaffen des großen Dadaisten, Surrealisten, Präkonzeptualisten,
Übervaters aller Postmodernen gezeigt wird. Die Kunsthalle setzt nach und
organisiert ein kleines, doch feines Marcel-Broothaers-Festival (parallel
zum großen, Kunst und Krieg in Zeiten der Medien untersuchenden
„Attack!“-Projekt). Das MUMOK gibt Kippenberger, Enfant terrible des
späten 20. Jahrhunderts, das MAK mit Kurt Kocherscheidt einen
Meistermaler. Die BAWAG statuiert mit Marcus Geiger und Peter Kogler ein
Exempel in Sachen Team-Work. Das KUB füllt Franz West mit neuen
Möbelensembles und versucht einmal mehr die Kluft zwischen Kunst und Leben
zu erweitern. Für den Kunstraum Innsbruck transformiert
Arte-Povera-Meister Jannis Kounellis den Raum mittels Leinwand und Holz
zur realen Bildfläche. Und in Linz steht mit dem neu erbauten Lentos ein
ganzes Museum für „Avantgarde und Tradition“. Reisen Sie!
Mit besonderer Empfehlung
Architekturzentrum Wien: „Jan Kotera. Aufbruch in die
tschechische Moderne 1871–1923“, bis 7.7. Bawag Foundation,
Wien: „Marcus Geiger & Peter Kogler: Hallo Bawag”, 29.
6. Camera Austria, Graz: „Freundschaftsspiel“, bis 30.
5. Fotohof, Salzburg: „Stefan Kruckenhauser: ,Ein Dorf
wird’ (1952)”, bis 7. 6. Freiraum/transeuropa im MQ
Wien: „Quo vadis Logo!?“, 31. Mai bis 29. Juni.
Generali Foundation: „Allan Sekula: Performance under
Working Conditions“, 16. 5.–17. 8. Heiligenkreuzer Hof,
Wien: „Marcel Duchamp – Druckgrafik“, 9. 5.–7. 6 KUB,
Bregenz: „Franz West“, 5. 7.–14. 9. Kunsthalle
Wien: „Attack! Kunst und Krieg in den Zeiten der Medien“, 23.
5.–21. 9.„Marcel Broothaers“, 4. 7.–26. 10. Kunsthalle
Exnergasse: „drinnen ist’s anders“, bis 7.
6. Kunsthaus Wien: „Bernhards Österreich.
Hundertwassers Paradiese. Fotografien von Erika Schmied“, 12. 6.–31.
8. Kunstraum Innsbruck: „Jannis Kounellis“, 4. 7.–27.
9. k/haus, Wien: „Linde Waber. Genius Loci“, 17.
5.–27. 7., Stadt in Sicht“, bis 27. 7. Landesmuseum St.
Pölten: „Heinz Cibulka“, bis 31. 8. Landesmuseum
Joanneum: „Himmelschwer“, bis 15. 6. Lentos,
Linz: „Avantgarde und Tradition“, 18. 5.–9. 11. MAK,
Wien: „Kurt Kocherscheid. Das fortlaufende Bild“, 25. 6.–5.
10. MUMOK, Wien: „Nach Kippenberger“, 12. 6.–31. 8.,
„Mathias Poledna“, 12. 6.–24. 8. Neue Galerie Graz:
„Phantom der Lust: Visionen des Masochismus in der Kunst“, bis 24.
8. NÖ Dokumentationszentrum: „4 Positionen: Blank,
Cmelka, Emmelmann, Roithner“, 18.7.-30.8. OK Centrum,
Linz: Island by Numbers”, 28. 5.–13. 7. OÖ
Landesgalerie, Linz: „Michael Kienzer“, bis 25. 5., „Archetypen“,
11. 6.–31. 8. Residenzgalerie Salzburg: „Oskar
Kokoschka und die Schule des Sehens“, 9. 8.–7. 9. Rupertinum,
Salzburg: „Nolde, Schmidt Rotluff und ihre Freunde“, bis 20. 7.,
„Per Kirkeby“, bis 13. 7., „Jean Dubuffet“, 26. 7.–19.
10. Salzburger Kunstverein: „Ene-Liis Semper“, 12.
6.–27. 7., „Peter Land“, 15. 5.–8. 6. Secession, Wien:
„Fate of Alien Modes“, 10. 5.–22. 6. Taxispalais,
Innsbruck: „Helena Almeidas/Ketty la Rocca“, 6. 6.–10. 8.
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