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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
13. Juli 2005
17:46 MESZ
Von
Anne Katrin Feßler

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kunsthallewien.at

Bis 28. 8. 

Foto: Kunsthalle Wien
Surasi Kusolwong mit Löwe: "If A Lion Could Talk" – Sprachbühne oder Theater

Gut gebrüllt, Salonlöwe
Kunst und Erleben mit Surasi Kusolwong im Project Space der Kunsthalle Wien

Wien - "Wer auf öffentlichen Toiletten nicht pinkeln kann, leidet unter Paruresis, auch 'schüchterne Blase' genannt." Diese 121. von 200 skurrilen Fakten, erschienen unter dem Titel Unnützes Wissen, ist – womöglich schon heute – aus dem Maul eines lebensgroßen Plüschlöwen im Project Space der Kunsthalle zu hören.

Ungerührt von der Verkehrshölle Karlsplatz steht das friedlich wirkende Tier inmitten samtener grüner Fetzen. Den so genannten König der Tiere, der unter vielen anderen ihm zugeschriebenen Bedeutungen auch als Symbol für Macht dient, stellt der thailändische Künstler Surasi Kusolwong den Wienern als Sprachrohr zur Verfügung. Sie sind eingeladen, dem Raubtier anonym Statements zu Politik, Kunst, Wirtschaft und Sex in den Mund zu legen. Dabei ist auch für den gesorgt, der nichts Eigenes zum Besten geben will – im angrenzenden Aufnahmeraum liegt genug Lektüre: Sei es Kapuscinskis König der Könige oder Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus. Der Löwe spielt alle Stückerln. Bei Wittgenstein ist auch der Titel der Installation If A Lion Could Talk entlehnt. Der Satz "Wenn ein Löwe reden könnte, wir könnten ihn nicht verstehen" erinnert daran, dass eben mehr als nur primäres Sprachverständnis zum gegenseitigen Verstehen gehört.

Wer sich in die gläserne Höhle des Löwen wagt, findet dort eine unzensurierte Stimmencollage vor, deren Mixtur spannend, weil unvorhersehbar ist und obendrein ein Bild der Stadt generiert. Das Zuhören ähnelt dabei dem Internet surfen. Dort ist oftmals auch nicht abzusehen, wo der nächste "Klick" hinführt, ebenso wie die Verlässlichkeit der angebotenen Information verschwimmt. Und: Der Konsum kann – auch ohne großen Nutzen – viel Zeit fressen.

Nicht lange dauerte es dagegen, bis der nur bei der Eröffnung am Dienstag aufgesperrte 1-Euro-Markt des Künstlers restlos ausverkauft war. Eine quietschbunte Assemblage aus mehr oder weniger nützlichen Dingen: aufblasbare Kühe neben asiatischen Sitzkissen oder monströsen Klobürsten. Ware oder Kunstwerk? Nach Kusolwong beides, sgenannte Two-in-one-Produkte. Ein Shop als Möglichkeit, Kunst und Leben zu verbinden. Und mittendrin Surasi Kusolwong als DJ.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.7.2005)


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