DiePresse.com | Kultur | Kunst | Artikel DruckenArtikel drucken


Rudolf Leopold: "Wir wussten, es geht zu Ende"

30.06.2010 | 18:45 | ALMUTH SPIEGLER UND BARBARA PETSCH (Die Presse)

Was geschieht mit Rudolf Leopolds Museum nach seinem Tod? "Die Presse" sprach mit seinem Sohn Diethard, möglichen neuen Direktoren und Experten. Wer kommt als neuer Leiter des Leopold-Museums in Betracht?

"Wir leben von Ihrer Leidenschaft“, hat ein Besucher des Leopold-Museums ins Kondolenzbuch geschrieben, das seit Mittwoch in der Aula aufliegt. Daneben stehen ein Foto des Dienstag verstorbenen Gründers und Kunstsammlers, ein Strauß weißer Lilien und weißer Rosen, Kerzen. Der biografische Raum dahinter war zur Feier des 85.Geburtstags Rudolf Leopolds eingerichtet worden. Jetzt ist er der Raum des Gedenkens; Mitte nächster Woche soll das Begräbnis auf dem Grinzinger Friedhof stattfinden.

Viel Zeit war der trauernden Familie nicht eingeräumt worden: Mittwoch Früh mussten Witwe Elisabeth und Sohn Diethard ihre Interessen in der Sitzung des Stiftungsvorstands vertreten; Diethard Leopold, Psychotherapeut und zeitweise Kurator am Haus, wurde erst am 26.Juni ins Gremium berufen (statt Anwalt Martin Eder). „Wir wussten schon vor einigen Tagen, dass es zu Ende geht, und konnten um ihn sein. Jetzt beginnt der Jobwahnsinn“, kommentierte Diethard Leopold die Situation im Gespräch mit der „Presse“.

 

Weidinger, Natter, Steffen

„Jobwahnsinn“ bedeutet: Wie haben sich die Machtverhältnisse im alles bestimmenden, ursprünglich achtköpfigen Stiftungsvorstand nach Leopolds Tod geändert? Vier Vertreter des Bundes (Vorsitzender Helmut Moser vom Unterrichtsministerium, Wolfgang Nolz vom Finanzministerium, der Direktor des NÖ Landesmuseums Carl Aigner und Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm) stehen jetzt nur noch drei Vertretern der Leopold-Seite gegenüber (Witwe, Sohn, Anwalt Andreas Nödl). Leopolds Sitz werde auch nicht nachbesetzt, so Diethard Leopold. „Das ist in den Statuten nicht vorgesehen, es bleibt bei der Vier-zu-drei-Situation. An den Machtverhältnissen ändert das nichts, auch bisher hatte der Bund schon das Dirimierungsrecht, konnte Moser bei einer Pattstellung entscheiden. Aber wir möchten wie bisher alles möglichst konsensuell entscheiden.“

Im Museum selbst muss Leopold, der museologische Leiter auf Lebenszeit war, allerdings nachbesetzt werden, der Posten soll im Sommer ausgeschrieben werden, so der Sohn. „Es drängt aber nicht. Im Herbst wird die Nachfolge entschieden.“ Bis dahin sollte „alles auf Schiene laufen“, im Hintergrund werden der kaufmännische Direktor, Peter Weinhäupl, dessen Vertrag bis 2016 verlängert wurde, „Aigner und ich eng zusammenarbeiten“, erklärt Diethard Leopold.

Wer kommt als neuer Leiter des Leopold-Museums in Betracht? Tobias Natter, langjähriger Klimt-Spezialist im Belvedere, Direktor des Vorarlberger Landesmuseums? Allein die Idee zu diesem Zeitpunkt hielt er am Mittwoch auf „Presse“-Anfrage für „pietätlos“. Barbara Steffen, einst Albertina, kuratiert im Herbst eine aus der Leopold-Sammlung bestückte Ausstellung aus Wien in der Sammlung Beyeler in Basel. Am meisten Erfahrung aber hätte wohl Alfred Weidinger, umtriebiger Klimt-Spezialist aus dem Belvedere, einst Vize-Chef der Albertina. „Es ehrt mich sehr“, so Weidinger. „Aber vorher muss die Frage geklärt werden: Wohin geht das Museum überhaupt?“

Ja, wohin? Diethard Leopold: „Es gibt keine Grundlage und keine Veranlassung, etwas zu ändern. Rechtlich und inhaltlich: Die Attraktivität beruht auf dem Sammlermuseum, das den Blick eines genialen Sammlers zeigt. Dafür ist die Stiftungskonstruktion das Beste. Es wären alle gut beraten, diese Situation weiterzuführen.“

 

Interessiert: Belvedere, Mumok

Sehr wohl anders sahen das in der Vergangenheit die Direktorenkollegen Leopolds: Edelbert Köb, Direktor des Museums moderner Kunst, schrieb vor fünf Jahren ein Konzept, in dem das Leopold-Museum dem Mumok zugeordnet worden wäre, als Haus der internationalen und österreichischen Klassischen Moderne. „Das wäre die richtige, sinnvolle Lösung, jeder museologische Experte würde das so sehen“, bekräftigte Köb noch einmal am Mittwoch. Vergeblich versuchte er damals, die Stiftungssatzung des Leopold Museums einzusehen, erinnert er sich. „Diese ist ein ähnlich großes Geheimnis wie die Vereinbarung des Sammlers Herbert Batliner mit der Albertina. Wie in einer Diktatur werden diese Verträge der Öffentlichkeit vorenthalten. Ich verstehe nicht, warum man sich das gefallen lässt.“

Unterstützung bekam Köb zumindest 2008 noch von Kollegin Agnes Husslein, Direktorin der Österreichischen Galerie. Bei einer Veranstaltung sagte sie, die Leopold-Sammlung umfasse einen sehr ähnlichen Zeitraum wie die des Belvedere, da werde man irgendwann fragen: „Muss an zwei Stellen dasselbe gezeigt werden?“ Für das Mumok böten sich dann ganz neue Möglichkeiten der Erweiterung. Elisabeth Leopold reagierte damals empört. Husslein war am Mittwoch für die „Presse“ nicht erreichbar.

 

Geheime Zusatzurkunde der Stiftung

Die allgemeine Stiftungsurkunde sei sehr wohl einsehbar, „darin steht aber nur Wischiwaschi“, ergänzt Rechtsanwalt, Stiftungsexperte und Kunstsammler Ernst Ploil Köbs Erfahrung: Das Wesentliche stehe in einer Zusatzurkunde, die nicht öffentlich sei. Trotzdem ist Ploil überzeugt, dass das Leopold-Museum rechtlich gesehen weder von einem Bundesmuseum geschluckt noch zur Herausgabe von Bildern gezwungen werden kann: „Stiftungsvorstände, die dem zustimmen, wären zu Schadenersatz verpflichtet, denn die Stiftung ist dazu da, zu sammeln, zu mehren und zu verwalten, von Hergeben steht nichts in den Dokumenten.“ Auch die vom Bund berufenen Stiftungsvorstände sind vor allem der Stiftung verpflichtet und keinen anderen Interessen. Otto Hans Ressler, Chef der Kunstauktionen „Im Kinsky“, wird Rudolf Leopold vor allem als Berater, absolute Instanz vermissen. Die Sammlung Leopold II „von Faistauer bis Otto Mühl“ hält er für hervorragend, glaubt aber nicht, dass es noch einmal einen Ankauf durch den Staat geben wird: „Können Sie sich vorstellen, dass Faymann oder Pröll sich für die Kunst auf die Schienen werfen? Busek war da anders.“ Bei Restitutionen plädiert Ressler für Vergleiche.

Wird sich in Zukunft Diethard Leopolds besonnener Charakter auf das umstrittene Verhalten der Leopolds bezüglich der Restitution auswirken? „Die jüdische Gemeinde und die Leopold-Stiftung sollten sich zusammensetzen, ihre Geschichte abgleichen und gemeinsam beschließen, was zu tun ist“, so Diethard Leopold am Mittwoch. „Wir warten jetzt auf die Empfehlungen des eingesetzten Gremiums, die in einigen Tagen kommen werden. Auf dieser Grundlage wird die Stiftung mediatorisch handeln.“


© DiePresse.com