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Wer nicht schweben kann, muss hüpfen

02.04.2008 | 18:08 | THOMAS KRAMAR (Die Presse)

Wer über Fußball nichts zu sagen hat, der soll über Fußball schweigen.

Dieser zentrale Satz aus dem ungeschriebenen Traktat zur Vermeidung von Peinlichkeiten im Feuilleton-Journalismus wird hier nicht missachtet, denn hier wird nicht über Fußball geschrieben, sondern über Schreiben über Fußball. Sozusagen Elf-meta, Sie verstehen.

Und hier wird vor allem zitiert. Zuerst ein anonymer Wandtext aus der (sonst, siehe links, sehr guten) Ausstellung „herz:rasen“. Von „Gläubigen“ ist da die Rede, die „in der Stadion-Kathedrale ihre Psalmen singen“, von „der Suche nach Helden, die im Tanz des Balles die physische Beschränkung des Menschen zu überwinden scheinen“.

Dazu passt ein Lieblingseintrag aus der Wikipedia, Stichwort „Transzendentale Meditation“: „Patanjali beschreibt drei Stufen der Levitation: hüpfartiges Bewegen des Körpers über kurze Distanz, kurzzeitiges Schweben und schließlich die freie Bewegung des Körpers durch den Raum. Öffentlich wurde von der TM-Organisation bislang nur das Hüpfen demonstriert.“


Mir gefällt vor allem das vorsichtige „bislang“ gut. Man kann ja nie wissen, wer weiß, was den Körpern einfällt, wenn's transzendental wird! Und wer weiß, vielleicht überwindet ja auch einmal ein Held im Tanz des Balles die physische Beschränkung des Menschen, in welchem Fall der Schlusssatz obigen Wandtextes neue Nahrung erführe. Er lautet: „Fußball ist Glaube, Fußball ist Liebe, Fußball ist Hoffnung.“

Vielleicht sollte man nach Peter Handkes „Die Welt im Fußball“ (1965) überhaupt keine beseelten Betrachtungen mehr über Fußball schreiben. Mit diesem Text habe er sich die 300 Schilling Zeilenhonorar „eher zusammengeschwindelt“, erzählte Handke später bescheiden. Dabei beginnt er schon mit zwei der schönsten (und wahrsten) Sätze, die je über Fußball geschrieben worden sind: „Der Fußball hat eine Seele. Sie ist schlaff und leblos, wenn keine Luft in ihr ist.“

So darf man sich sein Zeilenhonorar zusammenschwindeln.


thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2008)


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