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28.12.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
Ausstellungen Wien Museum: "Nonnenfuerzli" zum Nachkochen
VON DANIELA TOMASOVSKY
"Um die Wurst" geht es im Haupthaus am Karlsplatz, die Hermesvilla lockt mit "Ballnächten".

"Die Fresssucht hat die Oberhand gewonnen am allermeisten im Osterlande; trunken und übervoll ist mancher Mann in der Wienerstadt und manche Frau allda." Nein, die Rede ist nicht von weihnachtlicher Völlerei, das Pamphlet des Wiener Arztes Heinrich von Neustadt richtete sich gegen die alltägliche Maßlosigkeit, die schon im Mittelalter zu feisten Hälsen und dicken Wampen führte. Kein Wunder: "Schon in der Früh, bevor sie zur Kirche geht, trinkt sie ein Kännlein und isst dazu etwa ein Huhn, damit ihr in Kopf und Magen wohl wird."

So beschreibt von Neustadt das Frühstück einer Wienerin um 1312. Alltag war das damals nicht: Hunger war für viele normal, in Krisenzeiten verspeiste man Ratten, Katzen, Hunde. Immerhin ging es sprichwörtlich um die Wurst: Nur wer zu essen hatte, konnte etwas leisten, konnte kämpfen - und sein Überleben sichern. "Um die Wurst" heißt so auch eine Ausstellung des Wien Museums zum Thema Essen und Trinken im Mittelalter.

Die kompakte Schau erzählt vor allem von sozialen Differenzen. Unterschiedlich gedeckte Tische illustrieren u. a. "Bauernfraß", "Bürgerkost", "Adeligenspeise": Glasierte Keramik, Glas, Metall, Stoff bei den Adeligen, einfache Keramik bei Bürgern und Klerus, Holz, kein Besteck bei den Bauern. Nicht nur Utensilien wie Kerzenleuchter, Trinkhörner oder Gläser aus Venedig zeugten vom Reichtum des Gastgebers, sondern auch exotische Gewürze: Ein Büchse Safran war so viel wert wie eine Kuh, auch Pfeffer, Ingwer, Muskatnuss oder Kardamom wurden um teures Geld importiert.

Bei den einfachen Leuten mussten Zwiebel, Knoblauch und Gartenkräuter dazu herhalten, den oft schlechten Eigengeschmack der Speisen zu überdecken. Denn die mangelhafte Lagerung führte dazu, dass Fleisch und Fisch zu stinken begannen . . .

Mit wohlriechenderen Zutaten kommen die Rezepte aus, die auf der CD zur Ausstellung enthalten sind. Schon mal etwas von Nonnenfuerzli gehört? Das sind in Fett herausgebratene Brandteig-Plätzchen, die zur Fastenzeit gegessen wurden - und sicher besser schmecken, als sie heißen. Ihren Namen verdanken sie einer Episode in einem Frauenkloster. Eine Novizin erschrak so sehr, als ein junger Bischof die Küche betrat, dass sie versehentlich ein Küchlein in heißes Fett gleiten ließ.

Genug vom Essen? Dann also tanzen. Glamouröse "Ballnächte" hielt Jakob Tuggener (1904-1988) in seinen Fotografien fest, die das Wien Museum in der Hermes Villa zeigt. Der Schweizer, dessen Fotos erstmals in Wien ausgestellt sind, ist mit seiner Leica in das Nachtleben der Oberschicht eingedrungen, hat die Nobelbälle in Zürich, St. Moritz und Davos erkundet: Elegante Damen, mondäne Herren, laszive Blicke, aber auch Melancholie, Ernüchterung tauchen in den Bildern auf. Prinzipiell war Tuggeners Zugang zu den Feiernden jedoch ein romantischer, wie er selbst beschrieb: "Es war ein Märchen was man da sah an Frauen, Schönheit, fließendem Seidenglanz."

"Um die Wurst": bis 8. Jänner, Di. bis So., 9 bis 18h. "Ballnächte": Di. bis So. 9 bis 16.30h.

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