Politisches Statement in Kunstform
Ai Weiwei. Der chinesische Künstler hat über direkte Kontakte nach Peking die Schau in Bregenz mitgestaltet.
Wolfgang Ölz Bregenz (SN). Das Kunsthaus Bregenz zeigt einen überzeugenden Blick auf eine Seite des Werks von Ai Weiwei, die bis dato so noch nicht zu sehen war. Im Zentrum steht das architektonische Schaffen Ai Weiweis, als konkreter Planer, aber auch als Utopist. Die erschwerten Bedingungen durch die Verhaftung des chinesischen Künstlers und Menschenrechtlers Anfang April 2011 und seine Freilassung im Juni 2011 beflügelten die Ausstellungsmacher um Kurator Rudolf Sagmeister und Direktor Yilmaz Dziewior. In der Schlussphase der Vorbereitung bestand wieder ein Kontakt, so dass Ai Weiwei detailliert in das Werden der Schau in Bregenz involviert sein konnte.
Seitdem das Bregenzer Kunsthaus besteht, war die Schnittstelle von Architektur und Kunst ein wesentliches Element der Ausstellungsarbeit. So war es folgerichtig, dass Ai Weiwei in Bregenz vor allem als Architekt wahrgenommen werden sollte, ohne die politischen Aktionen, etwa das Filmen der Zerstörung seines Ateliers durch die chinesischen Behörden, in den Hintergrund zu stellen. So wird das Künstlerische und Innovative des Werks von Ai Weiwei in den Mittelpunkt gerückt, ohne einem platten Politisieren das Wort zu reden.
Zu sehen sind Modelle des Nationalstadions in Peking von 2008 (im Bild oben), für das Ai Weiwei das Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron beraten hatte. Extra für Bregenz hat Ai Weiwei ein 500 Quadratmeter umfassendes Architekturmodell aus Holz geschaffen. Für die Architekturkooperation, die sich „Ordos 100“ nennt, hat der Künstler 100 junge Architekturbüros eingeladen, nach seinem Plan 100 Villen für ein boomendes Gebiet in der mongolischen Steppe zu entwerfen. Dieses Architekturmodell hat etwas mit jener Art der Skulptur zu tun, wie sie der Minimalismus in den modernen Kunstdiskurs eingebracht hat. Aber das für Bregenz geschaffene Objekt soll nicht nur die Diskussion und Realisierung dieses Projekts vorantreiben. Es geht auch um die Vision einer globalen Zusammenarbeit. Das 25 Tonnen schwere Objekt musste in China auf 24 Schiffe verladen werden, um nach Bregenz zu kommen.
Im obersten Stockwerk sind „Moon Chest“ (2008) in den Raum gestellt. Das sind voluminöse Holzschränke, denen Kreise eingeschnitten sind. Blickt der Besucher hindurch, sieht er die verschiedenen Mondphasen. Diese raffinierte Arbeit nimmt die chinesische Tradition des Kastenbaus auf.
Das Kunsthaus Bregenz hat im Blick auf die Kunst und Architektur von Ai Weiwei auch extern ein politisches Signal gesendet. Auf der Biennale in Venedig wurden 5000 rote Taschen mit der Aufschrift „Free Ai Weiwei“ verteilt und über 300 Besucher versammelten sich zu einem Innehalten vor dem chinesischen Pavillon. Auf dem Dach des Kunsthauses steht nun derselbe Schriftzug „Free Ai Weiwei“ und dieser wird so wieder in die Welt hinaus gehen.
Im Erdgeschoß wird eine Aktualisierung der futuristischen Oper „Sieg über die Sonne“ (1913) gezeigt. Im abgedunkelten Raum ist ein Panoptikum von 23 Arbeiten zu sehen, die von Foto über Kleidung und Wandteppiche bis zu Scherenschnitten Ausdrucksmittel moderner Kunst aufgreift. Entstanden ist eine zeitgenössische Wunderkammer, die Ideen des russischen Futurismus für die Gegenwart urbar macht.