Brot und Spiele | |
Den Originalbeitrag zu Günther Domenigs Nürnberger Umbau finden Sie in der architektur aktuell, Österreichs größter Architekturzeitschrift. |
Die Assoziation mit dem römischen
Kolosseum drängt sich dem Besucher förmlich auf - besonders im Inneren der
gigantischen Kongresshalle des Reichsparteitagsgeländes. Rohe Ziegelwände
türmen sich dort wie Berge auf. Der hufeisenförmige, 1935-41 errichteten
Baus von Ludwig und Franz Ruff ist in seinen Dimensionen, Formen und
Materialien die deklarierte Vergewaltigung des Individuums. Diese widerfuhr auch der Stadt Nürnberg, der als "Stadt der
Reichsparteitage" eine zentrale Rolle in der NS-Topografie zugewiesen
wurde - nicht zuletzt auch wegen der konstruierten Verbindung mit dem
mittelalterlichen Reichsgedanken, der sich in der reichsunmittelbaren
Stadt auch baulich erhalten hatte. Im Industriezeitalter wurde Nürnberg
zur Großstadt. Frühe Okkupation Ihr Naherholungsgebiet "Dutzendteich" mit Stauseen, Wiesen, Wäldern,
der Luitpoldhalle und einem Stadion aus den 1920er Jahren wurde noch vor
der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten gegen den Widerstand der
sozialdemokratischen Stadtverwaltung, aber mit Unterstützung der
NS-unterwanderten Polizei für die Parteitage der NSDAP okkupiert. Deren Massen-Körperkult forderte große Freiflächen und gewaltige
Volumen, um das Propagandabild einer überwältigenden Volksbewegung adäquat
vermitteln zu können. Bekannt sind die Filmdokumente von Leni Riefenstahl,
die das dokumentierten. Die Innenwelt der Außenwelt Fast in Vergessenheit geraten sind jedoch die Reste der
Innenraum-Version dieser Aufmarschfelder. Die Großbaustelle der
Kongresshalle band Baustoffressourcen an Ziegel und Stein aus ganz Europa,
und wenn das noch größere Deutsche Stadion errichtet worden wäre, dann
hätten damals sämtliche Baustofflieferanten jahrzehntelang ausgesorgt
gehabt. Kurz nach Kriegsbeginn wurde aber der Bau aller Anlagen eingestellt.
Was blieb, war der gewaltige Aushub des Stadions, der inzwischen zu einem
kleinen See mutierte, und das Ziegel- und Steingebirge der Kongresshalle,
deren Rohbau schon weit fortgeschritten war. Die weit kleinere
Zeppelintribüne und die Große Straße waren praktisch fertiggestellt und in
der Nähe auch noch eine SS-Kaserne errichtet worden. Nachkriegsgeschichte Nach 1945 blieb das Gebiet einem wahren Nutzungswildwuchs überlassen.
Im Zuge der Neuordnungsüberlegungen wurde 1998 ein Wettbewerb für ein
Dokumentationszentrum ausgeschrieben, das großzügiger als die bisherige
kleine Darstellung in der Zeppelintribüne über die NS-Geschichte des Orts
aufklären sollte. Günther Domenig gewann ihn. 2001 wurde ein Gesamtwettbewerb ausgelobt, der ein System in das
chaotische, abwechselnd von Autorennen, Freiluftkonzerten und
verschiedenen Festen nebst der ständig weiterwuchernden Messe genutzte
Gebiet bringen sollte. Das Ergebnis war ernüchternd: Kein Sieger und eine
ungewisse weitere Vorgangsweise (aus Österreich errang das junge Büro Uli
Tischler aus Graz einen der drei 4.Preise). Was jedoch gelang, war
Domenigs Dokumentationszentrum, eine Aufgabe, die diesem Architekten auf
den Leib geschneidert ist. Links Günther
Domenig TV-Tipp Tipp. Die jüngste Ausgabe von architektur aktuell,
Österreichs größter Architekturzeitschrift, ist dem Thema memory gewidmet. | ||