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Felsenvilla Baden 17.10.1998 -
20.12.1998
»Sharawadgi« wird weniger durch Exponate, als durch
die Korrespondenzen zwischen den Exponaten bestimmt. Das heißt aber
nicht, daß die hier versammelten Arbeiten nichts taugen - im
Gegenteil. Um in der Ausstellung aufzugehen, bedürfen sie gerade
einer hohen formalen Elastizität beziehungsweise Porosität, die
weder, wie bei schlechter post-konzeptueller Kunst, ihren
Bedeutungskern hermetisch einschließt, noch, wie bei schlechter
Informationsästhetik, in paranoider Expansion auf die Umwelt
ausgreift.
Natur und Kunst, zwei Kategorien, die sich im
Grad ihrer Überdeterminiertheit in nichts nachstehen, werden in
einer Biedermeiervilla auf dem Lande durchgearbeitet - in Baden bei
Wien, einem Städtchen, das vielleicht aristokratischen Charme
verströmen könnte, wäre es nicht durch seine kleinbürgerliche Fratze
entstellt. Aber genau das ist natürlich ein Grund, mit dieser
Kulisse zu arbeiten. Der Garten der Felsenvilla spiegelt sich im
Foto von Stan Douglas, das einen alten, erhaltenen, wirklich schönen
Schrebergarten zeigt, wobei der von Sigmund Freud aufbereitete »Fall
Schreber« den Anblick gegen jede mögliche Verklärung immunisiert.
Das Idyll der Selbstversorgung ist als Parzellierung der Natur
zugleich Psychogramm des autoritären Charakters, so wie
Heckenschneiden Arbeit an den Ich-Grenzen bedeutet.
Dan
Grahams Spiegelpyramide im Garten läßt das Ich dagegen ausgreifen,
um den Preis, daß es sich dabei verliert. Nicht nur im Anblick der
erhabenen Natur, die, entweder sanft oder gewittrig gestimmt, uns
die Kontingenz unserer Subjektposition vor Augen führt (die
Frühromantiker nannten das anders, aber auch sie sprachen schon
Kauderwelsch), sondern auch unter den Augen jener Instanz, die Kaja
Silverman in Anlehnung an Jacques Lacan als »Blickregime« bezeichnet
- die Technologie der strukturellen Überwachung, präsent durch das
für den Pavillon verwendete Spezialglas, das die BetrachterInnen
spiegelt, während es ihn für den Blick des Sicherheitsbeamten
objektifiziert.
Den Topos des unverstellten Blicks
kommentiert Gerwald Rockenschaub mit einem Aussichtsplateau, das
nicht nur die mit interesselosem Wohlgefallen genossene romantische
Hügellandschaft erschließt, sondern auch das gesellschaftliche
Stelldichein im Garten anläßlich der Eröffnung. Die Phantasie, den
Kunstbetrieb kontrollieren zu können, wird etwas relativiert, weil
die Plattform in einer solchen Höhe angebracht ist, daß der
Rundblick am Vorderhaus der Villa zerschellen muß. Vielleicht ist
diese Begrenzung aber auch ein Segen, denn hinter dem Vorderhaus
liegt Baden. Die Autopoiesis als Chance, das Braten im eigenen Saft
als Handlungsfähigkeit (siehe Creischer/Siekmann in springerin
3/98), verkündet das Vogelgezwitscher von Stephan Dillemuth, aus 80
Sprachsamples verschiedener Künstlernamen komponiert und in
digitaler Loop-Technologie produziert: Clegg - Clegg - Clegg - Clegg
- Guttman.
Wer an der Kölner Option Zweifel hat, hält sich
an Tacita Dean. Ihr Film »Disappearance at Sea«, im Breitwandformat
produziert, dokumentiert in Naheinstellung das kreisende, grelle
Licht eines Leuchtturmes und in der Totalen das zwischen
Sonnenuntergang und Sonnenaufgang ruhende Meer. Der Rhythmus der
prismatischen Brechungen erzeugt eine Gleichförmigkeit, die den
Sonnenaufgang als dramatische Unterbrechung erleben läßt und an
Wittgensteins Bemerkung erinnert, daß die Sonne morgen aufgeht, sei
eine Hypothese. Es ist eine der Tugenden der Ausstellung, daß sie
vor Peinlichkeiten wie der kosmischen Dimension nicht
zurückschreckt. Beispielhaft ist das Video »Powers of Ten« (1968)
von Charles und Ray Eames, eine Skizze des »Total Design«, sowie
Smithsons »Spiral Jetty«-Film, in dem es um nicht weniger als den
Ursprung des Universums geht.
Smithsons Kosmogonie wird dank
Renée Green wieder auf den im Zuge der Vietnam-Unruhen von
Studentenblut befleckten Boden des Campus der Kent State University,
Ohio, zurückgeholt, den Green zum Schauplatz ihrer auch persönlichen
Archäologie »Partially Buried« erwählt. Wo es um Smithson und
Vietnam geht, ist Asphalt nicht weit. Heimo Zobernigs 2,5 cm dicke
Teerschicht auf der vorderen Terrasse der Villa ruft den
amerikanischen Traum in Erinnerung, im Fernen Osten Ordnung zu
schaffen, indem man aus dem von Kommunisten verseuchten Dschungel
einen gigantischen Parkplatz macht. Eine Generation zuvor hatte der
amerikanische Außenminister Morgenthau noch den Plan, aus
Nazideutschland einen reinen Agrarstaat zu machen. Schrebergarten,
Parkplatz. Natur und Kunst. Baden und das Universum.
»Sharawadgi« ist eine der ersten Ausstellungen, die ich in
Österreich gesehen habe, die den lokalen und historischen Kontext im
Medium der Form sezieren und posttraumatisch als Arbeitsfeld
erschließen.
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