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18.04.2003 - Kultur News
Der Staat braucht ein Museumskonzept
Die Direktoren der Bundesmuseen sind wegen des Sparzwangs verstimmt. Dafür haben aber die privaten Stifter wenig Verständnis.
VON MICHAEL FLEISCHHACKER, NORBERT MAYER UND ALMUTH SPIEGLER


D
ie Bundesmuseen müssen halt ab specken", sagt Karlheinz Essl zur Diskussion über den Sparzwang, gegen den Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (wie am Donnerstag berichtet) keine rasche Linderung verspricht. Der erfolgreiche Manager vergleicht die Situation der "Sammlung Essl" mit den zum Teil noch geschützten Bereichen des Bundes: "Bei gleicher Leistung ist unsere Produktivität höher." Natürlich wäre es lobenswert, wenn vom Staat mehr Geld komme, aber das löse nicht die Misere an sich. "Das Einfrieren der Beträge (die Basisabdeckung, an der Gehrer nicht rütteln will) bringt Probleme. Aber grundsätzlich ist das System Schuld, wenn man etwa an die Pragmatisierung denkt."

Essls Vorschlag: "Externe Berater wie McKinsey sollten die Effizienz der Verwaltung durchleuchten. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass zweistellige Prozentsätze an Einsparungen möglich sind. Da müssen aber auch die Gewerkschaften mitziehen."

Essl empfiehlt mutiges Sparen: "Man kann nicht immer nur die Ausgabenseite sehen. Aber die Direktoren brauchen dann auch eine freie Hand wie in der freien Wirtschaft." Von Kürzung der Programme hält er wenig. "Die Verwaltung ist kein Selbstzweck. Dieser Moloch darf nicht im Vordergrund stehen. An den Ausstellungen soll man nicht einsparen. Den Museumsbetrieb einzuschränken, ist die schlechteste Lösung."

Essl glaubt, dass das Geld, das in seiner Sammlung tatsächlich der Kunst zugute komme, um 30 bis 50 Prozent effizienter verwendet werde als bei den Bundesmuseen. "Wir haben ein Budget, damit kommen wir aus. Erst wenn man die Verwaltung in den Griff bekommt, wird man wirklich sanieren können."

Es bestehe auf jeden Fall der Zwang zur Reform. "Edelbert Köb (Direktor des Museums moderner Kunst) sagt ganz richtig, dass man sich ein staatliches Museumskonzept überlegen muss. Es darf keine Doppelgleisigkeiten geben, die jeweiligen Aufträge sind genau zu überdenken. ,Back to the roots': Man sollte nur Dinge tun, die man am besten versteht, nicht ständig neue Projekte betreiben, sondern das Vorhandene optimieren. Das kann ruhig weniger, muss aber das Wichtige sein."

Mit den größten Problemen, meint Essl, habe wohl Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder zu rechnen. "Wer die Ausstellungsfläche von 2000 auf 12.000 Quadratmeter vergrößert, muss sie auch nutzen. Er wird dazu aber mehr Geld brauchen." - Schröder verwehrt sich gegen Ratschläge Essls: "Es gibt keine kleinere Verwaltung; als wir sie haben. Drei, vier Leute sind hier nur beschäftigt." Wie will er aber 2,1 Millionen Euro Mehrbedarf einsparen? Die Ankäufe, Publikationen, die Digitalisierung und der Studiensaal-Betrieb sollen eingeschränkt werden. "Es geht aber nicht nur mit Einsparungen - auch die Erträge müssen gesteigert werden. Bei den Sponsoren bin ich schon am Limit, also werden wir die Prunkräume vermieten müssen." "Zutiefst getroffen" zeigt sich Schröder von Gehrers Vorwurf des "Jammerns": "Ich glaube, ich bin der letzte, der das tut!"

Noch etwas schärfer in der Kritik als Essl geht es der zweite große Stifter, Rudolf Leopold, an, der ja unmittelbarer in die Wiener Bundesmuseen-Szene eingebunden ist. "Diejenigen, die ohnehin am Topf sitzen, beschweren sich auch noch", wettert er: "Alle wollen sie jetzt eine Erhöhung, nur wir kriegen nichts." Die Ministerin habe eben ihre Lieblinge, was man gut an den Vertragsverlängerungen im vergangenen Jahr sehen könne. Diese seien als Absicherung gegen einen allfälligen Regierungswechsel zu verstehen.

Die Situation des Leopold-Museums sei "immer schlecht", und jetzt zeichne sich ab, dass alles bleibt, wie es ist, und das sei "ungerecht". Noch dazu, wo er und sein Haus "Belastungen" zu tragen hätten, die "im Sinne Österreichs" seien. Leopold spielt damit auf die hohen Kosten des Rechtsstreites um die Restitution von Bildern ungeklärter Provenienz an, der seiner Ansicht nach auf Grundlage von "Verleumdungen" stattfindet, weshalb er "in dieser Sache nie nachgeben" werde.

"Wir haben das niedrigste Budget von allen", klagt Leopold. Wie ungerecht das sei, könne man schon daran sehen, dass das Museum Moderner Kunst (Mumok) zwar hauptsächlich dank Leopold am Besucherkuchen im Museumsquartier mitnasche, aber dreimal so viel Geld vom Bund bekomme: 7,4 Millionen Euro im Vergleich zu Leopolds 2,5 Millionen. Damit sei gerade einmal eine Großausstellung pro Jahr finanzierbar, aber keine Aufstockung des wissenschaftlichen Personals.

Geradezu "lachhaft" findet der streitbare Sammler die Tatsache, "dass Noever (Peter Noever, der Direktor des Museums für angewandte Kunst/MAK, Anm.) mit Ausstellungen protzt, die eigentliche das Museum Moderner Kunst machen sollte." Dafür liege brach, wofür das MAK nach Leopolds Ansicht eigentlich zuständig wäre: das Kunstgewerbe.

Im "Abstechen" liegt allerdings auch das Leopold Museum gut im Rennen. Albertina-Chef Schröder plante eine Ausstellung über Toulouse-Lautrec. Dessen druckgrafisches Werk ist gerade bei Leopold zu besichtigen.



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