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Salzburg

"Friedliche Koexistenz" zweier Kulturen

30. Dezember 2010, 17:39

Die Salzburger Festspiele und die freie Szene leben in Parallelwelten

Salzburg - "Kultur ist Sache der Länder" - mit diesem Satz hat der Standard die Serie zur Kulturpolitik der Länder eröffnet. Thomas Randisek hat ihn auch gelesen.

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Formal sei das schon richtig, sagt Randisek, finanziell wäre die Sache in Salzburg aber doch anders. Randisek - seit rund zwei Jahrzehnten im Dachverband Salzburger Kulturstätten Geschäftsführer und als Lobbyist der freien und autonomen Einrichtungen profunder Kenner der kulturpolitischen Irrungen und Wirrungen an der Salzach - hat einen überraschenden Zahlenvergleich parat: Mit rund 4,7 Millionen Euro für die freie Förderung im Voranschlag 2011 liegt das Land Salzburg gerade einmal 700.000 Euro vor der Stadt Salzburg. Diese hat für 2011 vier Millionen freie Förderung vorgesehen.

Obschon das Land "für 2011 das niedrigste Kulturbudget seit Jahren" (Randisek) vorgelegt hat und trotzdem die Stadt im Verhältnis ungleich mehr für die Kultur übrig hat, bemüht sich der Vertreter von 80 im Dachverband organisierten Kultureinrichtungen um ein mildes Urteil. Mit dem 39 Jahre alten Kulturressortchef, Landeshauptfraustellvertreter David Brenner (SPÖ), habe man endlich einen Ansprechpartner, "für den Salzburg allein schon aufgrund seines Alters ohne die freien Häuser und ohne die autonome Szene nicht mehr vorstellbar ist."

Die positive Entwicklung ist trotz finanzieller Engpässe gerade in der personellen Ausstattung nicht zu übersehen. Derzeit geht man daran, in allen politischen Bezirken des Landes Mehrspartenhäuser zu errichten. Das Nexus im Pinzgauer Saalfelden gilt - nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Jazzfestival Saalfelden - als Vorzeigehaus. Im April 2011 ist Baubeginn für das Lungauer Kulturhaus Kubus 1024, Eröffnung: 2012.

"Natürlich wird Salzburg auch mit den Festspielen verbunden, mit Mozart - aber Salzburg ist mehr", sagt Brenner selbst zu seinem Kulturverständnis. Politisch hat er es damit nicht schwer, denn er ist zwar Kulturressortchef, aber für die Festspiele ist seine Chefin, Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ), zuständig.

Die Zersplitterung der Kulturagenden auf mehrere Ressorts hat Tradition. Im Kulturland Salzburg möchte jeder irgendwie mit dabei sein. Dabei wird vor allem von Vergangenem gelebt: den Baudenkmälern der Stadt, Mozart und den Festspielen. Mit neuen, gar mit großen Würfen hatte man es in der jüngeren Vergangenheit nicht so. Die Übersiedelung des österreichischen Filmfestivals Diagonale Mitte der 1990er-Jahre von Salzburg nach Graz - mit tätiger Mithilfe des damaligen Bürgermeisters der Landeshauptstadt Josef Dechant (ÖVP) - mag noch als lässliche Sünde durchgehen.

Dass Salzburg in der Ära von Landeshauptmann Hans Katschthaler (ÖVP) das Angebot ausschlug, ein Guggenheim-Museum im Form des von Hans Hollein konzipierten Museums im Mönchsberg zu bekommen, gilt bis heute als eine der schwersten Fehlentscheidungen der vergangenen Jahrzehnte.

Aktuell ist Brenner fürs Zeitgenössische, Burgstaller für die Festspiele zuständig. Für die ÖVP hat Landeshauptfraustellvertreter Wilfried Haslauer die Museen und Galerien in seinem Ressort, Landesrätin Tina Widman wiederum ist für die Volkskultur, aber auch für die Jugendzentren und damit für einen wichtigen Teil der Jugendkultur zuständig.

Diese formale Trennung zwischen Kultur und Festspielen widerspiegelt auch das kulturelle Sein an der Salzach. Zwar sind die Anti-Festspiel-Proteste aus den frühen 1980er-Jahren, aus denen sich letztlich viele der heute noch aktiven Kulturstätten entwickelt hatten, längst Geschichte, zueinandergefunden hat man aber nicht. Von ein paar zaghaften Kooperationen einmal abgesehen, lebt man in Parallelgesellschaften.

"Friedliche Koexistenz" nennt es Randisek. Hier die freie Szene - von Kleininitiativen bis zu mittelgroßen Häusern wie dem Filmkulturzentrum Das Kino oder dem Schauspielhaus Salzburg - dort die Festspiel- und die Mozartkultur. Nur beim Geld hört sich die Freundschaft auf. Dass die öffentliche Hand den nach den Malversationen rund um den ehemaligen Geschäftsführer und den ehemaligen technischen Direktor ins Trudeln geratenen Osterfestspielen eine Ausfallshaftung von einer Million Euro pro Jahr zugesteht, stößt der freien Szene sauer auf. Randisek: "Bei jedem anderen Verein wäre das undenkbar gewesen." (Thomas Neuhold / DER STANDARD, Printausgabe, 31.12.2010 / 1./2.1.2011)

 

weitersagen:
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kaum zu glauben,

aber wenn das wirklich stimmt, dass an die 10% des Kulturbudgets an die freie Szene gehen, dann ist Salzburg zu gratulieren

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