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29.09.2003 - Kultur&Medien / Leute
Nachruf: Mit Stöckelschuh und Eisenschürze
Zum Tod der Wiener Künstlerin Birgit Jürgenssen.

Die Sache mit der Kunst beschäftigte die 1949 geborne Birgit Jürgenssen früh. Kaum dass das Kind schreiben konnte, beschilderte sie ihr Heft "Birgit Bicasso". Das Künstlerin- und Frau-Sein, die Beschäftigung mit sozialen Rollenbildern, das Überschreiten von Grenzen, immer wieder auch der Ausbruch daraus - das waren Schlüsselthemen im Werk der Vielseitigen. Drei Jahrzehnte arbeitete sie daran mit äußerster Intensität, Konzentration und auch Humor. Sie schlüpfte in die Rolle der Hausfrau, performte in Stöckelschuhen und backrohrförmiger Eisenschürze, kommentierte Frauenklischees und Männerträume in feinen Buntstiftblättern. In den Achtzigern entdeckte sie wie viele die Malerei für sich - und fand doch bald andere zeitgenössische Medien besser geeignet - die Fotografie, aber auch die Handzeichnung, die Arbeit mit Video und die fotografisch dokumentierte Performance.

Ihre künstlerische Sensibilität, ihren Sinn für Poesie, ihr Fingerspitzengefühl und ihren Geschmack bewies Jürgenssen sowohl als Pädagogin an der Akademie am Schillerplatz als auch als Kuratorin. Ganz typisch für sie nannte die Künstlerin ihr wichtigstes Ausstellungsprojekt, 1994 in der Wiener Secession, "Wenn die Kinder sind im Dunkeln?": eine Gruppenausstellung, für die sie "ihre" Medien - Video, Foto, Objektkunst, Zeichnung und Sprache - zusammenführte, Medien also, die erzählen, kommentieren, sprechen können. Am Donnerstag erlag Birgit Jürgenssen ihrem Krebsleiden, gegen das sie drei lange Jahre mit enorm viel Mut und Kraft gekämpft hatte.

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