Man schrieb das Jahr 1656, als der Linzer
Jesuitenpater Johannes Gruber nach China segelte, Ida Pfeiffer verließ die
Welt des Wiener Biedermeier und reiste nach Madagaskar, Brasilien oder
Island, und gegen Ende des 19. Jahrhunderts erforschte Alois Musil den
Orient. Ihre Sammlungen aus aller Welt sind heute auf mehrere Museen
verteilt.
"Die Entdeckung der Welt - Die Welt der Entdeckungen" ist eine
Ausstellung der besondern Art" meint der Generaldirektor des
Kunsthistorischen Museums, Wilfried Seipel, "eine Ausstellung, die nur mit
Leihgaben aus österreichischen Museen zusammengestellt wurde. Das mag
viele vielleicht enttäuschen, das ist aber ein falscher Eindruck. Denn es
ist zum ersten Mal möglich dass die vier großen Museen, das
Kunsthistorische, das Völkerkunde-, das Naturhistorische und das
Heeresgeschichtliche Museums zusammen der Öffentlichkeit zeigen, wie ihre
Geschichte ausgesehen hat, wem sie ihre Sammlungen verdanken."
Wunderkammer des Kolonialismus
Ein 25 Meter
hoher Schiffsmast vor dem Künstlerhaus ist der Wegweiser in eine Welt
vergangener Abenteuer. Reiseandenken und Gemälde, Tagebücher und Kameras,
Fotoalben und Vermessungsgeräte, über 1000 Exponate aus 150 Jahren
österreichischer Entdeckungsgeschichte sind da versammelt. Da ist ein
Spulwurm, den sich ein Forscher selbst aus dem Leib gezogen hat,
umfangreiche Pflanzensammlungen, Riesenfische, ein giraffenartiges
Säugetier, das bis 1900 in der europäischen Gelehrtenwelt als unbekannt
galt: das im dichten Regenwald Kongos lebende Okapi. Zu sehen ist auch die
"Admiral Tegetthoff" im Modell oder die "Novara", deren zweijährige
Schiffsexpedition in einzelnen Stationen nachvollzogen werden kann.
"Es ist eine Art Kunstkammer der Welt, die die damals weißen Flecken
für Europa mit neuem Wissen erfüllt hat", so Wilfried Seipel. "In der
Ausstellung findet sich Anekdotisches ebenso wie Abenteuerliches oder auch
Romantisches." Die Begegnungen zwischen den Europäern und der
einheimischen Bevölkerung, die waren aber oft weit jenseits jeder
Romantik.
Die Scouts der Eroberer
Die Forscher, die in den Urwald, in den Dschungel und in die Steppen
und Wüsten vorgestoßen sind, fühlten sich den "Primitiven" weit überlegen,
und ihre schriftlichen Nachrichten von diesen Begegnungen bestätigen nur
die vielen Vorurteile, die sie gegenüber anderen Völkern besaßen. Und - ob
willentlich oder nicht - die Entdecker bereiteten zugleich auch den
Kolonialisten den Weg: nach den von ihnen gezeichneten Karten konnten
wirtschaftliche Expansionsbestrebungen konkretisiert werden und ihre
Informationen halfen mit, Land und Bodenschätze in Besitz zu nehmen.
"Mögen andere Flaggen hissen, Kriege führen und Afrika regieren, so
viel sie Lust haben", schrieb Ende des 19. Jahrhunderts der Wiener
Afrika-Forscher Oskar Baumann, "wir Österreicher wollen nichts Anderes als
unseren Antheil an dem Gewinne, den das große afrikanische Geschäft für
Europa abwerfen wird." Die Ausstellung "Die Entdeckung der Welt - Die Welt
der Entdeckungen" will auch diese Schattenseiten des Forschens und
Sammelns beleuchten.
Übung in Toleranz
"Ich glaube, dass diese Ausstellung dazu herausfordern könnte, Toleranz
zu üben, mehr Verständnis zu haben, Fehler zu vermeiden, die die
Generationen des 18. und 19. Jahrhunderts bei diesen Expeditionen gemacht
haben - dass diese Ausstellung den Blick öffnet", meint Wilfried
Seipel.
Tipp:
"Die Entdeckung der Welt - Die Welt der Entdeckungen", die Ausstellung
im Wiener Künstlerhaus wird am Freitag, dem 26. Oktober eröffnet und ist
dann bis zum 13. Jänner 2002 zu sehen.