Stehlen Frösche jetzt Autos?
Von Claudia Aigner
Ein Spielzeugsoldat robbt, als Auto getarnt (nachdem er sich
also eine Karosserie übergestülpt hat), heldenhaft über eine
Straßenkreuzung. Und wird als Verkehrsteilnehmer ja irgendwie eh voll
anerkannt, nämlich über den Haufen gefahren. Die "Achtung, ich bin ein
Auto, also seid lieb zu mir"-Mimikry war also in etwa so
lebensverlängernd, als hätte er sich gleich als x-beliebiger Frosch auf
die Fahrbahn geworfen. Im Raum aktueller Kunst (Eschenbachgasse 11)
greift man bis 6. Jänner 2001 in das Leben anderer ein, ob die es nun
merken oder nicht. Wenn ihnen etwa Kirsten Mosher einen vermeintlichen
Frosch, der mutmaßlich ein Spielzeugauto geklaut hat, vor die Räder legt.
Das ist herrlich geschmackloser, "asphaltschwarzer" Humor. Eine bitterböse
Parabel über den Darwinismus oder bloß über die Ohnmacht des Fußgängers?
Man zittert mit diesen krabbelnden Spielzeugsoldaten mit, von denen aber
keiner sein batteriebetriebenes Leben auf die andere Straßenseite retten
kann. James Ensor wird es vermutlich auch nicht mehr mitkriegen, dass
Guillaume Bijl ihm einen unbeschwerten Strandausflug angedichtet hat. Bijl
hat mit "dokumentarischem" Filmmaterial, das so alt aussieht wie Rudolf
Valentinos erster Film, "nachgewiesen", dass der Maler, der daheim
schaurige Skelette gemalt hat, möglicherweise nicht einmal ein Misanthrop
war, sondern eh ein lieber, bürgerlicher Kerl. Bijl hat also keine
"Swatch"-Uhr im Film vergessen (höchstens einen Schauspieler mit einer
äußerst "heutigen" Ausstrahlung) und es hat ihm auch niemand plötzlich in
den "authentischen" Stummfilm hineingeniest. Einmalig. (Auch, dass hier
dem Maler einer makabren Maskenballwelt mit einer hinterfotzigen Maskerade
gehuldigt wird.) Narreteien verjähren nicht: Lisa Huber (bis morgen in
der Galerie Wolfrum, Augustinerstraße 10) verhilft in ihren ungemein
prägnanten Holzschnitten mehr oder weniger unscheinbaren Details aus den
"uralten" und vergleichsweise weitschweifigen Illustrationen aus Sebastian
Brants "Narrenschiff" zu vollgültiger Bildwürdigkeit. Etwa den Zipfeln
einer Narrenkappe. Dali hat für sein Lippensofa ja auch nur eine
Einzelheit gebraucht und hat den Sexappeal der ganzen Mae West in ihren
geschminkten Lippen konzentriert. Von Angela Bulloch (bis 9. Dezember
bei Kerstin Engholm, Schleifmühlgasse 3) ist man Interaktives mit Sensoren
gewohnt. Da ist es nur natürlich, dass man vor ihren Lichtboxen bis zur
Besinnungslosigkeit in verschiedenen Varianten herumhoppelt, um Einfluss
auf die Farbe oder den Rhythmus des Farbwechsels zu nehmen. Und dass man
dann frustriert ist, dass dieses "monochrome Farbfernsehen" einfach stur
sein Programm abspult. Überall in der Schau nimmt Bulloch die Zutaten
(etwa Computerfarben) und Systeme unserer Welt und macht etwas geradezu
"bewegend Irritierendes" daraus. Den Ton zum Film "From the Eiffel
Tower to the Riesenrad" darf man dann endlich mit dem Hintern einschalten.
Dazu braucht man kein akrobatisch veranlagtes Sitzfleisch, man muss es
bloß auf der Sitzbank "deponieren". Bulloch hat da einen französischen
Kurzfilm dermaßen neu synchronisiert, dass die Handlung jetzt nach Wien
emigriert ist. Schon komisch, wenn die Ehefrau nicht nur vom
"Churchill-Bauch" ihres Gatten ernüchtert ist, sondern auch lieber in
Hietzing wohnen möchte. Freilich treffen die Worte extrem unpünktlich auf
den Lippen der Schauspieler ein (und man kann das mit dem Hinterteil auch
nicht nachjustieren). Das ist das Einzige, was ich diesem Film nicht
verzeihen kann.
Erschienen am: 01.12.2000 |
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