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Kunstberichte

"Schockieren wollte ich nie"

Im Kunstmuseum Lentos in Linz ist bis 5. Juni eine große Gottfried-Helnwein-Retrospektive zu sehen
Die Selbstporträts „Black Mirror“ (1997) und „Last days of Pompeij“ (1987) gehören zu den älteren Werken der Schau.  Foto: Lentos/MaschekS

Die Selbstporträts „Black Mirror“ (1997) und „Last days of Pompeij“ (1987) gehören zu den älteren Werken der Schau. Foto: Lentos/MaschekS

Da porträtiert ein „Schockkünstler“ den anderen: Musiker Marilyn Manson in Teil 37 der Serie „The Golden Age“, 2003.  Foto: VBK Wien, 2006

Da porträtiert ein „Schockkünstler“ den anderen: Musiker Marilyn Manson in Teil 37 der Serie „The Golden Age“, 2003. Foto: VBK Wien, 2006

Von Julia Urbanek

Aufzählung Die erste
Aufzählung "Face it" im Kunstmuseum Lentos in Linz.

Linz. "Was ich nie wollte, ist schockieren. Es ist aber so, dass mich meine Umwelt immer schockiert hat", kommentiert Gottfried Helnwein, derzeit zu Gast in Linz, sein etabliertes Image als "Schockkünstler".

Für seine erste Ausstellung in Österreich seit 20 Jahren hat der Auslandsösterreicher bewusst Linz gewählt. "Ich freue mich, dass meine erste Schau hier in Linz ist – mit ein bisschen Distanz zu Wien", zu dem der Künstler ein eher gestörtes Verhältnis hat.

In Linz hat er bewusst das Lentos Kunstmuseum gewählt: "Hier gibt es die beste Museumsarchitektur, die ich kenne. Und das beste Licht für meine Bilder, das ich je gesehen habe." Stella Rollig, Direktorin des Lentos, freut sich darüber: "Helnwein hat uns erlaubt, hier einen Coup zu landen." Man habe seine Kunst in dieser Fülle und Reichhaltigkeit hier seit 20 Jahren nicht mehr gesehen.

Mit Kopftuch und Brille

Das Lentos zeigt nun bis 5. Juni 40 große Arbeiten des Künstlers, zu dessen Markenzeichen mittlerweile sein schwarzes Tuch und seine dunkle Brille geworden sind. In den großen, kahlen Räumen des Museums wirken seine Bilder bedrückend und fordernd zugleich. Sein Hauptmotiv, das menschliche Gesicht – in jeder Formation und Deformation – blickt den Betrachter von allen Seiten an.

Die Arbeiten reichen bis in die frühen Siebzigerjahre zurück, als sich Helnwein dem Thema verstümmelter Kinder im Aquarell annäherte. Schwerpunktmäßig werden aber jüngere Bilder gezeigt, die in Österreich noch nicht zu sehen waren.

Marilyn und Mickey

Die großformatigen Werke zeigen alle Schaffenperioden der letzten 30 Jahre: Die für Helnwein typischen Selbstporträts mit blutverschmierten Bandagen und chirurgischen Geräten genau so wie aktuelle Bilder, die mit der Ikonografie des Nationalsozialismus arbeiten. Dazwischen immer wieder hyperrealistische Darstellungen verletzter und verunstalteter Kinder. Der Bogen spannt sich bis zu den bekannten Bildzitaten von Donald-Zeichner Carl Barks oder der Serie "The Golden Age" mit dem Musiker Marilyn Manson, die ihn mit aufgerissenen Augen oder mit Mickey-Mouse-Kappe zeigen. Helnwein, der einmal sagte, dass er von Donald Duck mehr lernte als von allen Schulen, in denen er war, betonte dies auch wieder und erzählte von seinen ersten Comic-Erfahrungen in der Kindheit: "Als ich Entenhausener Boden betrat, hat sich mein Leben völlig verändert." Dieses Schlüsselerlebnis wurde zur Gegenwelt zu seinen Erfahrungen mit der düsteren und oft brutalen Ikonografie der Kirche, der er in seiner Kindheit im Nachkriegsösterreich begegnete.

Helnwein, 1948 in Wien geboren, lebt heute in Los Angeles und Irland. Heimat ist für ihn "die ganze Welt", Irland wurde ihm zum Lebensmittelpunkt, Los Angeles scheint ihn soziokulturell zu fesseln: "L.A. ist für Künstler die bestgeeignete und auch unterschätzteste Stadt." In manchen Teilen der Stadt begegne man dem Ende der Welt, ein paar Schritte weiter herrsche unverschämter Reichtum. "Nobody cares. Hier ist alles scheißegal". Gute Voraussetzungen für einen Künstler, der es schätzt in Ruhe gelassen zu werden.

Helnwein wollte am Anfang seiner Laufbahn auch gar nicht ausgestellt werden. Kunst war für eher eine Möglichkeit mit der Existenz von grausamen Realitäten fertig zu werden – berühmter Künstler zu werden war nicht sein Ziel.

Dass ihm dies aber doch gelungen ist, beweist die große Resonanz auf seine Werkschau. Linz ist dieser Tage im Helnwein-Fieber: im Taxi, im Kaffeehaus, auf der Straße ist er Thema.

Helnwein genießt seine Wahl für Linz auch sichtlich: "Die Wiener sollen ruhig ein bissl fahren", um die Ausstellung zu sehen.

Face it

Werke von Gottfried

Helnwein 1971-2005

10. März bis 5. Juni

Lentos Kunstmuseum Linz

0732/70 70-3600

http://www.lentos.at/

http://www.helnwein.com/

Eine Reise wert.

Donnerstag, 09. März 2006


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